Concrete Genie

(Copyright: Sony/Pixelopus)

Audio/Podcast zum Gamecheck:

Mobbing ist leider immer noch – oder besser: Mehr denn je – ein Thema. Am Arbeitsplatz, in der Schule, aber auch und vor allem im Internet werden Menschen von anderen schikaniert und erniedrigt. In Videogames dagegen kommt Mobbing eher selten vor, und wenn, dann meist nur am Rande. Jetzt aber hat sich das PS4-exklusive Game „Concrete Genie“ dieses brisanten Themas angenommen, um es auf höchst ungewöhnliche und unerwartete Weise zu verarbeiten. Nun könnte man annehmen, dass das – mit diesem Hintergrund – doch ein recht trauriges und deprimierendes Game sein muss. Aber: weit gefehlt! Aber ich will vorweg nicht zu viel verraten – lest einfach selber.

(Copyright: Sony/Pixelopus)

Ash – das Mobbing-Opfer vom Dienst

„Halt dich von Denska fern“ – schreibt die Mutter ihrem Sohn Ash noch auf, doch den kümmert das wenig. Wenig später sitzt er wieder mit seinem Skizzenblock in der düsteren Hafengegend, wo er früher in seiner Kindheit glückliche Stunden verlebt hatte, um mutterseelenallein zu zeichnen. Freunde finden ist nicht so sein Ding. Nun sind leider Typen, die sich lieber alleine kreativ beschäftigen, statt mit anderen um die Häuser zu ziehen, kurz: Typen, die eben etwas anders sind – oft leider willkommene Opfer derer, die den ganzen Tag nichts besseres mit sich anzufangen wissen, als – nun ja – eben um die Häuser zu ziehen.

Aber zu spät: Eine Horde Jugendlicher taucht unvermittelt in der verlassenen Gegend auf und hat Ash sofort auf dem Kieker. Sie nehmen Ash sein Skizzenbuch weg und reißen die Seiten heraus, die vom Wind fortgetragen werden. Und weil ihnen das noch nicht reicht, stecken sie Ash in eine Seilbahnkabine, die sie dann nach oben zum verlassenen Leuchtturm schicken. Wo es angeblich spukt.

(Copyright: Sony/Pixelopus)

Der magische Pinsel

Aber Ash lässt sich nicht einschüchtern. Oben angekommen beschließt er: Jetzt suche ich erst mal meine Seiten aus dem Skizzenblock und mache mir dann Gedanken, wie ich hier wegkomme. Doch die erste Seite, die er entdeckt, scheint vor ihm zu fliehen. Er folgt ihr und stellt fest, dass eine seiner Zeichnungen – die eines freundlichen Monsters namens Luna – auf einer Wand in Übergröße zum Leben erwacht. Die gibt ihm einen magischen Pinsel und trägt ihm auf, damit die Mauern in Denska zu bemalen, um die Stadt wieder zum Leuchten zu bringen und sie der Finsternis zu entreißen.

(Copyright: Sony/Pixelopus)

Kontrolliertes Malen

An der Stelle kommt Ihr dann ins Spiel. Ihr malt nämlich mit Hilfe der Bewegungssteuerung des Dual Shock Controllers großflächige, animierte Landschaften an die Wände, die wiederum darüberliegende Lichterketten zum Leuchten bringen. Nun, genau genommen malt Ihr jetzt nicht jeden Pinselstrich selber. Die Motive sind vorgegeben, Ihr legt lediglich Größe und Platzierung fest. Es fühlt sich aber trotzdem irgendwie wie Malen an, wenn man mit dem Controller Pinselstriche über die Mauern zieht.

Außerdem könnt Ihr mit Eurer Malerei auch weitere Dschinns erschaffen – so heißen die Monster. Und da habt Ihr schon etwas mehr Gestaltungsspielraum, wenn ihr die aus ganz unterschiedlichen Einzelteilen zusammenbaut und ins Leben entlasst. Diese Dschinns nämlich braucht Ihr, um an die zum Teil versteckten oder unzugänglichen Lichterketten zu kommen. Die Geister nämlich haben ganz unterschiedliche Fertigkeiten – wie etwa Feuer speien, Strom leiten oder Türen öffnen. Damit die aber auch mitspielen, wollen sie entsprechende Gemälde an den Wänden haben – über die sie sich bewegen. Womit sich der Kreis dann schließt.

(Copyright: Sony/Pixelopus)

Zurück zum Mobbing: Verständnis siegt

Ok, schön und gut, werdet Ihr jetzt vielleicht sagen, Ash malt also die Stadt bunt an. Aber was ist jetzt mit dem Mobbing? War das nicht das eigentliche Thema? Richtig. Und das taucht auch immer wieder auf. Denn Ash läuft der kleinen Gang immer wieder mal über den Weg. Und immer wieder fallen sie über ihn her. Aber der magische Pinsel schafft nicht nur wunderbare Kunstwerke, sondern auch eine Verbindung zu den mobbenden Kids. Denn immer, wenn einer von ihnen versucht, Ash den Pinsel zu entreißen, kann dieser in seine bzw. ihre Vergangenheit schauen. Und er erkennt, warum die so sind, wie sie sind.

So bauen die Entwickler mit der Zeit tatsächlich so etwas wie Verständnis für die anfangs komplett unsympathischen Rumtreiber auf. Und zeigen so, dass fast jedes Handeln auch eine Ursache hat, was Wut und Angst aus Menschen machen kann – und dass es nie gut ist, gleiches mit gleichem zu vergelten, sondern dass Verständnis oft der bessere Weg ist.

(Copyright: Sony/Pixelopus)

Und Action

Und schon wieder hör ich da manche von Euch nörgeln: „Klingt aber jetzt doch etwas lame, so mit Malen und diese sozialpädagogische Verständnistour. Am Ende heult da noch einer…“ Ja, auch das kommt vor. Aber keine Sorge: Daneben bietet Concrete Genie auch noch einiges an guten spielerischen Elementen. So gibt es zum Beispiel einige Rätsel, durchaus anspruchsvolle Jump & Run-Passagen, die in ihren besten Momenten tatsächlich an Assassins Creed erinnern und – gegen Ende hin – dann sogar einige Action-Elemente, wenn die ersten bösen Geister auftauchen. Roter Faden ist aber trotz allem die Malerei, die zum einen richtig gut aussieht, aber auch wirklich Spaß macht. Vor allem, wenn man dann durch eine Stadt ziehen kann, die mal selber ein wenig mitgestaltet hat – das ist schon ein gutes Gefühl, das man so in anderen Games nicht erlebt.

(Copyright: Sony/Pixelopus)

Ordentliche Technik und eine Prise VR

Auch technisch gefällt Concrete Genie, mit seinen vielseitigen Dschinns, den schön animierten Zeichnungen und Graffitis, die für stimmungsvolle, abwechslungsreiche Lichteffekte sorgen. Zusammen mit der guten deutschen Synchronisation und der stets passenden Musikuntermalung ist das schon durchaus Hörens- und sehenswert. Für die Besitzer eines PSVR-Sets gibt’s übrigens zwei zusätzliche Spielmodi: Den VR-Experience-Modus, in dem Ihr mit einem Dschinn namens Klecks ein eigenständiges Abenteuer erlebt und den „Freies-Malen“-Modus, wo Ihr Euch in Denska kreativ austoben könnt; dieser Modus wird frei geschaltet, wenn Ihr den Experience-Modus erfolgreich abgeschlossen habt.

(Copyright: Sony/Pixelopus)

Fazit

Aber da will ich jetzt auch nicht zu viel verraten, ich hab wirklich schon genug gespoilert. Schaut euch das Game doch am besten einfach selber an. Wer gerne kreativ selber etwas beisteuern und sich dabei gut unterhalten lassen möchte – und dabei auch eine große Portion zum Nachdenken bekommen will – der ist hier richtig. Die Entwickler von Pixelopus haben es geschafft, ohne die übliche Schwarzweiß-Malerei, ohne die Games-typischen Gut-Böse-Schemata und ohne erhobenen Zeigefinger auszukommen. Und das ist aller Ehren wert.

 

Game: Concrete Genie

Genre: Action-Adventure

Release: 09.10.2019 (PS4, PSVR)

Entwickler/Publisher: Pixelopus/Sony

USK: ab 12

Sprachausgabe/Texte: Deutsch /Deutsch 

Webseite: https://www.playstation.com/de-de/games/concrete-genie-ps4/

 

Wertung: 8 von 10