Through the Darkest of Times

(Copyright: Paintbucket Games)

Audio/Podcast zum Gamecheck:

„Als Adolf Hitler 1933 zum Kanzler ernannt wurde, jubelten die Massen. Aber wir nicht.“ Mit diesen Worten startet der Indie-Titel „Through the Darkest of Times“. Der schon 2018 in die Schlagzeilen kam, ist es doch das erste Spiel in Deutschland, das auch verfassungsfeindliche Symbole – in diesem Fall Hakenkreuze – verwenden darf. Wie es dazu kam, was das Game außerdem noch zu bieten hat und warum es am Ende auch ein ganz besonderes Spiel ist – das alles erfahrt ihr in diesem Gamecheck.

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Was ist das eigentlich für ein Spiel?           

Through the Darkest of Times” ist ein rundenbasiertes Strategiespiel, das im Berlin zur Zeit der Nazis spielt. Es ist in vier Kapitel mit je 20 Wochen aufgeteilt: „Machtergreifung 1933“, „Gipfel“ (1936), „Krieg“ (1940/41) und Zusammenbruch (1944/45).  Hier leitet ihr eine kleine Widerstandsgruppe, mit der ihr Aktionen plant und durchführt, um das Regime zu schwächen, um neue Widerstandskämpfer für Euch zu gewinnen und in Zeiten von Terror und Verfolgung zu überleben.

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Widerstand ist Pflicht

Zu Beginn des Spiels entscheidet Ihr Euch für einen der beiden Spielmodi: In „Widerstand“ müsst ihr jeden Schritt genau überdenken, da Polizei und Gestapo schnell bei Euch vor der Tür stehen und es auch nur einen Speicherstand gibt. In „Erzählung“ dagegen könnt Ihr Euch mehr auf die Geschichten des Spiels konzentrieren, da das Spiel mehr Fehler verzeiht und Ihr auch unendlich oft speichern könnt.

Ihr startet mit drei Widerstandskämpfern mit unterschiedlichen Charakterwerten wie Geheimhaltung, Empathie, Propaganda, Stärke und Allgemeinwissen; da jede Aktion da andere Stärken fordert, ist es entscheidend, wen Ihr wo einsetzt.

Ausgangspunkt für Eure Aktionen ist eine Karte von Berlin mit den einzelnen Stadtbezirken. Dort sind die möglichen Aktionsziele verzeichnet. Dazu gehören zum Beispiel das Sammeln von Geld, Gespräche mit möglichen Sympathisanten, der Schmuggel von verbotenen Büchern oder Fluchthilfe, aber auch das Beobachten und Belauschen von Nazi-Aktivitäten, die Weiterleitung von Informationen an die Auslandspresse oder das Besorgen von Material für weitere Aktionen.

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Mehrstufige Aktionen, Moral und Untertauchen

Manche dieser Aktionen sind auch mehrstufig. Um zum Beispiel Flugblätter zu verteilen, müsst Ihr erst einmal größere Mengen von Papier kaufen – was das Regime auf Eure Spur bringen kann – dann die Flugblätter drucken und einen Weg finden, in die Universität einzubrechen, um dort schließlich die Flugblätter nachts heimlich auszulegen. Ein anderes Mal müsst Ihr erst eine SA-Uniform klauen, um Zutritt zu neuen Schauplätzen zu bekommen usw.

So schickt Ihr dann die am besten geeigneten Leute zu ausgewählten Aktionspunkten in der Stadt. Mal nur einen, mal drei, je nachdem, was am besten ist. Die könnt Ihr auch mit Sachen aus Eurem Inventar ausrüsten – Flugblätter, Infos, Geld, Farbe, Sprengstoff – oder ein Fahrrad. Letzteres erhöht dann zum Beispiel die Chance auf eine erfolgreiche Flucht – denn immer habt ihr Spitzel, Denunzianten, Polizei und Gestapo im Nacken.

Ist die Planung abgeschlossen, läuft die Durchführung der Aktionen von alleine ab. Einschreiten müsst Ihr nur, wenn Ihr entdeckt werdet. Dann habt Ihr die Wahl zwischen Flucht, Verstecken und das Ding gnadenlos durchziehen, wobei Ihr Euch unter Zeitdruck entscheiden müsst. Werden Eure Leute zu oft gesehen, müssen sie erst einmal für eine Woche untertauchen. Anschließend wird abgerechnet: Wieviel Geld, wie viele neue Mitglieder konntet Ihr sammeln, bzw. wie viele haben eure Gruppe verlassen und vor allem: Wie sieht es mit der Moral in der Gruppe aus? Sinkt der Level da wegen zu vieler Misserfolge oder persönlicher Bedrohungen, Ängste oder Gefahren der Mitglieder zu weit ab, bricht die Gruppe auseinander.

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Die Sache mit den verfassungsfeindlichen Symbolen im Spiel

So weit also die hinlänglich bekannten Mechanismen eines rundenbasierten Strategiespiels. Nun hatte die USK ja 2018 entschieden, dass das generelle Verbot für verfassungsfeindliche Symbole in Spielen nicht mehr gilt. Stattdessen soll in Games die sogenannte „Sozial-Adäquanz-Klausel“ zum Einsatz kommen. Diese Klausel besagt, dass die Symbole gezeigt werden dürfen, wenn die Darstellung „der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst (…) oder ähnlichen Zwecken dient“. Also genau, das, was für Filme schon immer gilt. Da hat man nun geprüft, ob das auch auf Through the Darkest of Times zutrifft und ist zum Schluss gekommen: Jo, tut es.

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Mehr als ein übliches Strategiespiel

Denn zu dem üblichen Strategiespiel kommt noch mehr. Zum Beispiel Storyszenen, in denen Ihr Entscheidungen treffen müsst. So kommt Ihr zum Beispiel am Abend am Alex vorbei und beobachtet, wie drei Typen mit Hakenkreuzbinden einen alten Mann mit Kippa drangsalieren. Was macht Ihr? Eingreifen und damit aber Euch und die Gruppe in Gefahr bringen? Oder wegsehen und weiterfahren?

Oder eine Bekannte bittet Euch, mit zur Vereidigung ihres Jungen in der Hitlerjugend zu gehen. Wollt Ihr Teil dieses Fascho-Spektakels sein und der Frau diesen Gefallen tun? Oder versucht Ihr, den Jungen davon zu überzeugen, dass das nicht der richtige Weg für ihn ist?

Hinzu kommen auch Multiple Choice Dialoge, in denen Ihr auch immer wieder eine Richtung einschlagen müsst. Eine Frau aus eurer Widerstandsgruppe gesteht, dass Ihr Mann jetzt glühendes Parteimitglied ist. Schließt Ihr sie aus, weil ihr Angst habt, sie könnte sich ihm gegenüber verplappern? Oder vertraut Ihr darauf, dass schon alles gut gehen wird?

Und dann sind da noch die wöchentlichen Zeitungsüberschriften, die euch ein Gefühl dafür geben, was damals abgelaufen ist. „Ausländisch klingende Künstlernamen verboten“ titeln sie. Oder „Gesetz gegen entartete Kunst“. Auch in Gesprächen mit Passanten und Bekannten bekommt Ihr Infos über den damaligen täglichen Wahnsinn im Alltag. Z.B. wie es die Nazis geschafft haben, während der Olympischen Spiele in Berlin eine brave Fassade aufzubauen. Oder wie sie die allgemeine Unzufriedenheit und die Arbeitslosigkeit für sich zu nutzen verstanden

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Ein Spiel gegen den Rechtsruck

Through the Darkest of Times sei auch ein Spiel gegen den Rechtsruck, sagt Mitentwickler und Paintbucket-Gründer Jörg Friedrich. Und das Spiel zeigt: Es gibt Parallelen zwischen den 30er Jahren und der heutigen Zeit. Einer Zeit, wo der AfDler Höcke – den man laut Gerichtsbeschluss einen Faschisten nennen darf – wo also dieser Höcke Sachen von sich gibt wie „Dieses Land braucht einen vollständigen Sieg!“ und sein Parteigenosse Alexander Gauland die Schrecken des Naziregimes und die Millionen von Toten auf den Schlachtfeldern, in der Zivilbevölkerung und in den Konzentrationslagern als Vogelschiss verniedlicht.

Im Februar 1933 demonstrierten noch 200.000 Menschen im Berliner Lustgarten gegen Hitler und seine NSDAP. Und dachten vermutlich auch „Was soll schon passieren, wir sind mehr“. Und so ist Through the Darkest of Times auch ein Spiel mit einem politischen Statement – und damit fast schon einzigartig in der deutschen Spielelandschaft.

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Fazit: Nicht perfekt, aber verdammt wichtig

Ja, nicht alles ist perfekt in diesem Spiel. Es gibt Wiederholungen, so mancher der oft prallvollen Textblöcke hätte vielleicht besser vertont werden sollen und die ständige Musikuntermalung wirkt zuweilen unpassend. Aber es ist ein verdammt wichtiges Spiel, das eindrucksvoll und oft auch bedrückend zeigt, wie schnell ein Land nach rechts kippen kann, wie schnell man zum Mittäter werden kann, indem man schweigt und nur zuschaut.

 

Game: Through the Darkest of Times

Genre: Strategie

Release: 30.01.2020 (PC, Mac)

Entwickler/Publisher: Paintbucket Games / Handy Games

USK: Ab 12

Sprachausgabe/Texte: Deutsch/Deutsch

 

Wertung: 10 von 10 (weil es einfach ein wichtiges Game ist)