Maneater

„She is a Maneater!“ – sangen Daryl Hall und John Oates (übrigens das erfolgreichste Duo der US-Popgeschichte, aber das nur nebenbei) schon 1982, hatten dabei aber weniger Haie im Kopf als männerfressende Frauen. Wer es jedoch mehr mit den mitunter recht gefräßigen Knorpelfischen hat, kommt im Spiel Maneater von Tripwire Interactive voll auf seine Kosten. Wie auch schon Filme wie Sharknado, Bait 3D, Deep Blue Sea, Der weiße Hai und wie sie alle heißen, bedient das Spiel sämtliche Hai-Klischees, hat aber dennoch etwas leidlich Innovatives zu bieten: Hier nämlich sind wir der Hai und mal nicht der menschliche Jäger (bzw. das Opfer). Ob der Kniff nun aber ausreicht, um ein ganzes Spiel zu befeuern, wird sich gleich zeigen.

Audio/Podcast zum Gamecheck:

Hai noon (Moby Dick lässt grüßen)

Rund ums Spiel wurde die typische Hai-Story gestrickt. Ein Reality-TV-Team begleitet einen Hai-Jäger namens Scaly Pete, ein muskulöser Bulle von Mann der Marke dumpfer Hillbilly Redneck, dessen Vater einst von einem Monsterhai gefressen wurde. Der will das Vieh finden und töten – und auf dem Weg dahin auch alle anderen Haie. Greenpeaciges Robin-Wood Gedankengut ist ihm dabei völlig fremd, Arterhaltung für ihn kein Thema. Sein Hai-Bild ist gefestigt – alle müssen weg. Ja, der gute Scaly Pete fühlt sich berufen und folgt einem höheren Plan.

Gleich zu Beginn läuft das aber eher geht so geil für ihn. Als er einen erlegten weiblichen Hai aufschlitzt, findet sich da ein noch ungeborener Junghai, der ihm – als er ihn rauszerrt aus der toten Mutter und mit einem Messer malträtiert – zur Begrüßung gleich mal den rechten Arm bis über den Ellbogen abbeißt und dann ins Meer springt.

Ein hailiger Held

Ab hier übernehmen wir die Steuerung des Jungtieres. Unsere Aufgabe: Groß und stark zu werden, um am Ende den Tod unserer Hai-Mutter zu rächen. Während Scaly Pete natürlich ebenfalls stinkig ist wegen des verlorenen Arms und seinerseits deshalb uns an die Flossen will. Wir ahnen – das läuft auf einen großen Showdown hinaus. Zu Beginn sind wir aber noch ein recht wehrloser Babyhai, der sich erstmal mit Fischen, Schildkröten und ähnlich harmloser Beute begnügt. Hauptsache, die enthalten genügend Proteine, Fette, Mineralien und Mutagene. Das alles braucht ihr nämlich, um euren kleinen Menschenfresser mit den wichtigen Upgrades wie stärkere Zähne, besseres Sonar oder leistungsstärkere Verdauung zu versehen.

Eins auf die Flossen

Ab dem Teenie-Alter wagen wir uns dann auch an größere Futterquellen, wie Robben, Killerwale, Barracudas und sogar Alligatoren. Die ergeben sich aber nicht so leicht – hier müssen wir dann kämpfen. Dazu setzen wir einen Mix aus Beißen, Flossenschlag, Seitwärtsrolle und wildem Herumschwimmen ein, was ziemlich chaotisch anmutet. Überhaupt sind die Kämpfe nicht so der Burner. Meist hat man schnell das passende Angriffsmuster gefunden – wenn das meist überhaupt notwendig ist, weil es oft einfach ausreicht, sich ordentlich zu verbeißen, der Rest kommt von alleine. Und stärkere Gegner haben dann nicht etwa besonders perfide Techniken drauf, sondern machen einfach mehr Schaden und halten mehr aus. Was die Kämpfe dann zwar länger, nicht aber unbedingt interessanter macht.

Wenig Abwechslung

Ähnlich stumpf sind auch die Missionen. Die Spielewelt ist in sieben Gebiete unterteilt, jedes mit einem Endgegner und einer Höhle – in etwa das Pendant zu Ubisofts gefürchteten Türmen. In jedem Gebiet – da gibt’s zum Beispiel einen Sumpf, ein Hotelressort, Kanäle, einen Wasserpark oder eine strandige Golfküste – müsst ihr Aufgaben abarbeiten. Friss so und so viel von denen, danach zehn mehr von den anderen und so weiter.

Außerdem sammeln wir noch Extras und irgendwelche Schilder, schalten Bossgegner frei und haben am Ende ausreichend XP, um uns weiter zu entwickeln. Da wurde viel viel Potential verschenkt.      Warum hat man da nicht ein paar schön verrückte Missionen eingebaut? Maneater ist keine Tiersendung mit naturwissenschaftlicher Exaktheit, im Gegenteil. So können wir uns mit den Updates zum Beispiel mit Elektroschock-Zähnen oder Sägeflossen ausrüsten und aus unserem Knorpelkollegen  ein echtes Monster basteln – coole Sache. Daraus hätte man doch wirklich auch abgefahrene Jobs machen können, statt das lahme schwimme von A nach B und töte X Exemplare von C.

Tiefsee GTA   

Und auch sonst ist Maneater Trash pur. Wir pflücken Menschen von Booten, erlegen unvorsichtige Schnorchler und können sogar ein Stück über Land hüpfen, um unsere zweibeinigen Opfer auf dem Strand oder aus dem Liegestuhl im Garten zu holen oder vom Golfplatz (hallo Mr. President) – um dann wieder zurück ins Wasser zu hoppeln. Hier kommt dann auch ein wenig GTA-Feeling ins Spiel: Je mehr Menschen wir fressen, desto höher wird unser Fahndungslevel – und desto mehr und besser bewaffnete Haijäger machen Jagd auf uns. Ist unser Bösewichtlevel hoch genug, erscheint ein Bossgegner. Wenn wir den töten und sein Boot zerstören, winkt ein fettes Ausrüstungs-Extra, das motiviert.        

Beißen wir dagegen mal selber ins Seegras – was durchaus auch mal vorkommt – hat das keine großen Konsequenzen. Dann nämlich wachen wir – ohne Verlust von XP oder Ausrüstung – wieder in der örtlichen Grotte auf und ziehen wieder los. Ärgerlich sind da dann nur die langen Ladezeiten, die uns aus dem Rhythmus bringen.

Noch mehr Story und launige Sprüche

Irgendwie scheinen auch die Entwickler geahnt zu haben, dass das alles auf die Dauer eventuell doch etwas dünn ist. Weswegen wir ab und zu ein paar neue Storyhappen serviert bekommen. Ihr erinnert euch: Scaly Pete und seine Rache. Und weil das auch nicht über längere Zeit besonders tragfähig ist, hat man noch einen kleinen Vater-Sohn-Konflikt draufgepackt. Der Vater als durchgeknallter Haikiller, der Sohn als sensibler zukünftiger Meeresbiologe. Ist ja nett gemeint, wirkt aber irgendwie fehl am Platz und löst sich dann auch recht schnell wieder auf. Aber egal, der gute Wille zählt.

Wesentlich spannender ist da schon die Frage, ob es tatsächlich diesen ominösen Monsterhai gibt, der Scaly Petes Papa vor Jahren auf dem Gewissen hat. Aber das verrate ich natürlich nicht, selber spielen macht schlau – und niemand mag Spoiler.

Und auch die launigen Sprüche des TV-Kommentators sollen wohl die einsetzende spielerische Eintönigkeit etwas übertünchen. Das schwankt anfangs noch zwischen ganz lustig und peinlich, wird aber spätestens nach der dritten Wiederholung dann doch dezent nervig.

Technik ist ok

Womit ich bei der Technik wäre. Grafisch ist der Titel – wie das Game auch – jetzt nicht Triple A, aber schon recht ansehnlich. Die verschiedenen Welten kommen mit einem eigenen Look, unser tierischer Held und auch die Opfer sind schön animiert und sehen gut aus, in den Kämpfen herrscht ein durchaus sehenswerter Splatterfaktor, sogar Tag/Nacht-Wechsel gibt es mit all den damit verbundenen Sehenswertigkeiten. Für Abstriche sorgen auf technischer Seite allerdings die bisweilen unsaubere Kamera, zuweilen ruckelnde Kämpfe und die nicht immer akkurate Steuerung.

Fazit

Trotz der ganzen hier aufgezählten Unstimmigkeiten kann man aber durchaus seinen Spaß mit dem Maneater haben. Man muss sich nur darüber im Klaren ist, dass das hier einfach nur trashige Unterhaltung ist, bei dem es in erster Linie darum geht, möglichst spektakulär alles zu fressen, was uns vors Maul schwimmt. Und irgendwie schämt man sich dann auch ein wenig, wenn man sich ertappt, dass man Gefallen an dem primitiven Knorpelfisch-Blutrausch hatte. Aber nur ein kleines bisschen. Darauf ein fettes Hai Five.    

Game: Maneater
Genre: Unterwasser-Open World-Action
Release: 22.05.2020 (PC, PS4 Xbox One)
Entwickler/Publisher: Tripwire Interactive / Kochmedia
USK: ab 16
Sprachausgabe/Texte: Deutsch /Deutsch
Webseite: https://www.tripwireinteractive.com/#/maneater
Wertung: 6 von 10