Das Jahr 2020 war ja eines der eher weniger guten Jahre; Corona hatte sich da als echter Spaßverderber erwiesen. Kneipen dicht, Kontaktsperre, Urlaub gestrichen, keine Konzerte, kein Kino, kein Theater, kein Sportstudio, kein Stadion – da musste man ja mit der Zeit depressiv werden. Was blieb dann meist noch? Etwas Joggen (wenn man sich aufraffen konnte), mit dem Hund eine Runde drehen, Bingewatchen und natürlich extremst zocken. So wurde dann so viel gespielt wie noch nie, und die Publisher verdienten sich dumm und dämlich in bzw. an der Pandemie. Aber na gut, wir wollen uns da nicht beschweren: Dafür haben sie uns ja dann im Jahr 2020 auch mit teilweise richtig guten Games versorgt. Hier meine ganz subjektive Highlight-Liste für das vergangene Jahr.
Audio/Podcast zum Gamecheck:
Januar: Through the Darkest of Times
Der Januar ist naturgemäß spieletechnisch extrem ruhig. Das Highlight, das rundebasierte PC-Strategiespiel Through the Darkest of Times, erschien gerade noch rechtzeitig am 30.1., um gleich zu Jahresbeginn ein Ausrufezeichen zu setzen. Im Widerstand im Berlin der 1930er Jahre versucht ihr nach der Machtergreifung, die Nazis mit gezielten Aktionen zu schwächen, die Bevölkerung für eure Sache zu gewinnen und zu überleben. Ein Spiel, dass eindrucksvoll zeigt, wie schnell ein Land nach rechts kippen kann, wie schnell man zum Mittäter werden kann, indem man schweigt und nur zuschaut.
Februar: Dreams
Im Februar kam Media Molecule mit seiner neuesten Kreation namens Dreams, eine leistungsstarke, aber trotzdem leicht zugängliche Entwicklerplattform, mit der Ihr so ziemlich alles realisieren könnt, was Euch auf dem Herzen liegt oder durch den Kopf geht. Was auch immer ihr für verrückte Ideen habt, Dreams macht es möglich. Adventure, Actiongames, Renn- oder Sportspiele – macht doch was Ihr wollt. Klar, die Ergebnisse lassen sich dann zwar am Ende nicht mit den millionenschweren Blockbustern vergleichen, sind dafür aber oft um Längen verrückter und oft überraschend gut. Da werden Träume wahr.
März: Doom Eternal
Im März spannte nicht nur der Bauer die Rösslein an, sondern bescherte uns ID Software einen neuen Höllenritt in Form des brachialen Ego-Shooters Doom Eternal. Wo man gegenüber dem ohnehin schon guten Vorgänger überall noch eine Schippe drauflegte. Performance, Level- und Gegnerdesign, Steuerung, Abwechslung – hier stimmt einfach (fast) alles, dazu ungewohnte klasse Klettereinlagen. Der hohe Schwierigkeitsgrad lässt Euch nie verzweifeln, bleibt Doom Eternal dabei doch immer fair. Wer mit etwas Hektik klar kommt, findet hier seine Shooter-Offenbarung.
April: Resident Evil 3 Remake
Der April bescherte uns ein gelungenes Remake von Capcoms Action-Horror-Survival-Klassiker Resident Evil 3. Wobei es dann hier aber doch deutlich mehr Action und weniger Survival Horror als im Original gab. Mit Jill Valentine geht’s in Racoon City gegen die Umbrella Corporation. Durch ein Szenario, das in Coronazeiten plötzlich erschreckend real erscheint. Keine starren Kameraeinstellungen mehr, keine lahmen Ladeanimationen, keine Farbbänder zum Speichern und neue Turns in der Handlung plus neue Grafik: Auch wenn das Remake nicht alle Schwächen des Originals ausmerzt, ist das doch ein durch und durch spielenswerte Neuauflage.
Mai: Minecraft Dungeons
Den Mai fand ich spielerisch etwas dünn. Am meisten Spaß hatte ich noch am soliden, simpel gemachten Dungeon Crawler Minecraft Dungeons – auch wenn der es einem nicht leicht machte, ihn wirklich gern zu haben. Zufallskisten, fehlende Charakterklassen, wenig Minecraft, unfairer Endboss, blödes Speichersystem, Sackgassen ohne Belohnung – da kommt einiges zusammen. Seine guten Momente hat Minecraft Dungeons dafür beim Herumexperimentieren mit der Ausrüstung, beim Taktieren mit den unterschiedlichen Gegnern, beim Frustabbau durch wildes Dauerkloppen und natürlich im launigen Multiplayer. Für 20 Euro geht das am Ende schon ok.
Juni: The Last of Us 2
Mein klarer Favorit im Juni war natürlich Naughty Dogs Action Adventure The Last of Us 2. Deutlich düsterer, brutaler und erwachsener als der Vorgänger. Aus Teenie-Elli ist eine Frau geworden, die im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen geht. Gewalt ist allgegenwärtig. Die klasse Rachestory hat was von Lara Croft, mit viel Action, Kämpfen, Klettern, Rätsel, Basteln, Sammeln und Stealth-Einlagen. Dazu kommen klasse spielbare Cutscenes und Technik die begeistert. Trotz einer Unstimmigkeiten in der Story und kleineren Nachlässigkeiten für mich eins der besten Games im letzten Jahr.
Juli: Ghost of Tsushima
Der Juli war gut gefüllt mit Triple A-Titeln. An der Spitze davon sehe ich das Samurai-Epos Ghost of Tsushima, den letzten großen PS4-Exklusivtitel. Das Open World Game im alten Japan überzeugte mich mit einem Weltklasse-Kampfsystem, mit vielen großen und kleinen Geschichten und mit Figuren mit viel Tiefe. Sucker Punch ist es gelungen, das Game nicht zu überfrachten und den Spieler durch immer neue kleine Geheimnisse, sinnvolle Verbesserungen und Überraschungen bei Laune zu halten. Das ist wie ein Samurai-Film zum Mitspielen. Wer mag, kann sogar den passenden Kurosawa-Filter über die Grafik legen. Mehr Samurai geht nicht.
August: Flight Simulator 2020
Was war im August? Na klar, der neue Flight Simulator 2020 hob nach 14-jähriger Flugpause endlich ab. Die Spielewelt ist ein fast realistisches Abbild der echten Welt und 2 Millionen Gigabyte groß, mit 37.000 Flughäfen, zwei Millionen Orten und 1,5 Milliarden Gebäuden. Der Flight Simulator 2020 ist ganz klar ein Meilenstein und gehört zu den faszinierendsten und motivierendsten PC-Spielen der letzten Jahre. Reinsetzen, losfliegen, die Welt entdecken. Und dafür müsst ihr kein gelernter Pilot sein, das geht immer. Der Realismus ist schlicht fantastisch, die offene Spielewelt mit den Original-Daten, dem dynamischen Wetter und mit ihrer Lebendigkeit das schönste und Beste, was es seit langem zu bestaunen gab. Über den Wolken und so, ihr wisst schon.
September: Mafia Definitive Edition
Im September habe ich erneut ein Remake vorne, nämlich die Mafia Definitive Edition. Erneut spielen wir mit dem Möchtegern-Mafia-Aussteiger Tommy Angelo seine aufregende Lebensgeschichte in den 1930er Jahren in Lost Heaven nach. Mit neuer Bewegungsvielfalt, neuer Fahrzeugsteuerung, neuer Grafik und den alten, abwechslungsreichen Missionen. Das Game wurde an den richtigen Stellen ergänzt, geändert und erweitert, überflüssige Längen wurden gestrichen, mehr wurde Abwechslung eingebaut und technisch alles auf Vordermann gebracht. Und das alles, ohne den Spirit der Vorlage zu beschädigen und ohne große Experimente zu wagen. So ist das Remake am Ende sogar um Längen besser geworden als das großartige Original. Was ja nicht oft passiert.
Oktober: Star Wars Squadrons
Mit Star Wars Squadrons erlebte im Oktober das fast schon vergessene Genre der Weltraumschlacht-Games seine glorreiche Auferstehung. In der Solo-Kampagne kämpfen wir in 14 Kapiteln sowohl auf Seiten der Rebellen als auch mit dem Imperium. Die Inszenierung der Kampagne ist Star Warsmäßig bombastisch, mit großartigen Zwischensequenzen, komplett deutsch synchronisiert, mit spektakulären Explosionen, detaillierten Schiffen und Cockpits, den Original Filmsounds, Geräuschen und Soundtracks. Dazu kommen schicke Flottenkämpfe im Multiplayer. Auch wenn da lange nicht alles perfekt war: Endlich mal wieder ein Game, wo fette, anspruchsvolle Weltraumschlachten nicht schmückendes Beiwerk sind, sondern im Mittelpunkt stehen. Bitte mehr davon.
November: Demon’s Souls
Ja, schon klar, im November waren natürlich die beiden neuen Konsolen das absolute Highlight, aber da es hier „nur“ um die Games geht, hieve ich mal eben Demon’s Souls für die PS5 aufs Treppchen. Ja, noch ein Remake. Aber – ein echter Traum von Remake. Das Game war vor 11 Jahren schon fast perfekt, mit den fettesten Bossfights ever und seinem genialen Leveldesign, und ist jetzt – dank gründlich verbesserter Technik noch einmal einen Tacken besser geworden, ohne dass die Seele des Spiels dabei verletzt worden wäre: das Spielgefühl ist unverändert. Demon’s Souls ist für alle PS5-Besitzer eine Pflichtanschaffung. Wer das nicht sofort kauft, muss seine Playstation 5 zurückgeben.
Dezember: Immortals – Fenyx Rising & Cyberpunk 2077
Den Spitzenplatz im Dezember teilen sich zwei Titel. Da ist zum einen das fantastische Immortals: Fenyx Rising, weil dieser Beinahe-Zelda-Clone gleichsam packend wie entspannend ist, verdammt gut aussieht und sich auch noch extrem elegant spielt – mein Überraschungstitel des Jahres.
Und dann führt natürlich kein Weg an Cyberpunk 2077 vorbei, der wohl am sehnsüchtigsten erwartete Titel der letzten Jahre, der nach Release gleichermaßen gefeiert wie gehasst wurde. Letzteres, weil die Last-Gen-Versionen extrem buggy waren, aber auch sonst war das Game nicht frei von – oft groben – Fehlern war. Die Erwartungen waren einfach so hoch, das konnte das Game nicht packen.
Für das alles aber entschädigt eine unglaubliche, lebendige, atemberaubende Spielewelt, die mit ihrer Vielfalt und mit ihren dystopischen Visionen schon alleine Grund genug wäre, sich täglich stundenlang mit Cyberpunk 2077 zu beschäftigen – die dort innewohnende Atmosphäre ist einzigartig. Das Spiel setzt aber mit der tollen Story, mit den Charakteren, an die man sich noch lange erinnern wird – nicht nur an den großartigen Keanu Reeves – mit extrem viel Entscheidungsfreiheit und vielen Spielmöglichkeiten und den abwechslungsreichen Missionen noch einiges drauf. Cyberpunk ist kolossal, bahnbrechend und faszinierend. Und zumindest spielerisch ein versöhnlicher Ausklang für ein ansonsten ziemlich beschissenes Jahr.