The Last of Us 2

Das Action-Adventure “The Last of Us” schlug vor fast genau 7 Jahren ein wie eine Bombe. Die Magazine feierten Story, Atmosphäre und das Top-Gameplay, dazu kamen Auszeichnungen wie „Best Playstation Game“. Bis heute wurde das Spiel von Naughty Dog – von denen ja auch die Uncharted-Reihe stammt – auf PS3 undPS4 über 20 Millionen Mal verkauft. Am 19. Juni kommt – nach mehreren Verschiebungen – endlich der von vielen sehnlichst erwartete Nachfolger. Wie groß da die Vorfreude ist, zeigt nicht zuletzt der inzwischen 3 Jahre alte Trailer, der auf Youtube mittlerweile gut 10 Millionen Mal angeklickt wurde.

Die Entwickler und Vertriebspartner Sony gaben sich extrem bedeckt, was den Inhalt des Nachfolgers angeht. Aus dem Trailer und einem gerade vorab freigegebenen Level konnte man schließen, dass Elli die neue Hauptfigur sein wird, die auf einer Art Rachefeldzug unterwegs ist. Das sah bisher alles großartig aus – aber kann das übrige Game da mithalten? Wird The Last of Us 2 der erhoffte große Abgesang auf die PS4?

Audio/Podcast zum Anhören:

Vorab

Vielleicht fragen sich jetzt einige, wieso ich das Game schon eine Woche vor dem Release testen kann? Nun, genau genommen, habe ich The Last of Us 2 schon vor Wochen bekommen, da Sony die Testmuster gerne schon weit im Voraus verteilt, um uns Testern die Möglichkeit zu geben, das betreffende Spiel ausgiebig spielen zu können. Insofern ist das hier kein Schnellschuss, sondern das Ergebnis ausgiebiger Spiele-Sessions. Aber: Ich werde versuchen, hier im Review nicht zu spoilern, um euch nicht die Überraschungen an den vielfältigen Wendungen der aufregenden Story zu verderben. Vielleicht gibt’s hier oder da mal eine kleine nebulöse Andeutung, um die Spannung zu erhöhen.

(Copyright: Sony/Naughty Dog)

Der erste Teil: The Story so far

Für all die, die den ersten Teil nun nicht kennen – ja, die soll es tatsächlich auch geben, auch wenn es mir schwer fällt, das zu glauben – also für all die an dieser Stelle noch einmal eine kurze Zusammenfassung der Geschehnisse  von „The Last of Us“ aus dem Jahr 2013.

Die Menschheit wurde von einer heimtückischen Pilzinfektion überrollt, die die Gehirne der Menschen befällt und sie in mordlustige aggressive Mutanten verwandelt. Die wenigen Überlebenden dieser Pandemie ziehen sich in befestigte Quarantänezonen zurück, die von paranoiden Militärverbänden regiert werden. Hier lebt die 14jährige Ellie – die aber ein ganz besonderes Mädchen ist. Sie nämlich hat den Biss eines Infizierten überlebt und ist nun immun. Weshalb eine Gruppierung namens „Fireflies“ sie als Chance sieht, ein Heilmittel für die Menschheit zu entwickeln. Der mürrische Texaner Joel – der sich seit dem Verlust seiner Tochter als Schmuggler durchschlägt – bekommt den Auftrag, sie heimlich zu einem Außenposten zu bringen. Ohne dass er anfangs ahnt warum.

Es wurde ein brutaler, düsterer und gleichzeitig auch sehr melancholischer Roadtrip durch die verwüsteten USA von Boston nach Pittsburgh, bei dem sich die beiden näher kommen und viel erleben. Ein erwachsenes Endzeit-Epos – nannte es die Kritik hinterher, das perfekte Abschiedsgeschenk für die PS3.

(Copyright: Sony/Naughty Dog)

Teil 2: So fängt er an (und mehr wird nicht verraten)

The Last of Us 2 spielt nun fünf Jahre später. Joel und Ellie leben mit anderen zusammen im kleinen, natürlich befestigtem Städtchen Jackson im verschneiten Wyoming. Aber nicht nur die Location hat sich geändert, auch der Hauptdarsteller: Wir steuern nicht mehr Joel, sondern Elli. Zumindest die meiste Zeit, aber mehr will und darf ich dazu auch nicht verraten – das verbieten unter anderem auch Spoiler-Guidelines von Sony, an die ich mich selbstverständlich halte. Das Verhältnis der beiden zueinander hat sich merklich abgekühlt – aus Gründen, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Auf Versuche von Joel, das alte Vertrauen von Ellie zurückzugewinnen, reagiert sie eher distanziert. Jeder lebt sein Leben in Jackson. Ellie hängt inzwischen mehr mit der gleichaltrigen Dina ab – mit der sie mehr verbindet als nur eine Freundschaft. Mit der zieht sie dann auch auf Patrouillengänge zu Pferde los. Dann aber ereignet sich etwas, dass die beiden aus dem – eh schon aufregenden – Alltagstrott wirft. Ihr ahnt es: Ich werde euch nicht verraten, um was es da genau geht und was der Auslöser ist für einen hochemotionalen Rachefeldzug.

(Copyright: Sony/Naughty Dog)

Welcome to Seattle

Erstes Ziel der beiden ist Seattle. Es gibt natürlich auch noch andere Locations im Spiel, aber erwähnen darf ich hier nur Jackson/Wyoming, Seattle und, ach ja, Washington. Spoiler Guidelines, ihr wisst schon. Seattle also. Das ist nach all den Jahren ein Ruinenfeld, von der Vegetation überwuchert. Hier liefern sich die beiden verfeindeten Fraktionen der Washington Liberation Front oder kurz – die Wolves und die Seraphiten aka Scars – eine irren Sekte, die mit Pferden, Pfeil und Bogen und Verständigung mit Pfiffen einen auf Naturvolk macht – einen erbitterten Krieg, in dem Ellie und Dina dann ständig zwischen die Fronten geraten, weil sie ständig der jeweils anderen Seite zugeordnet werden.

Mehr will ich über die Story dann aber auch gar nicht verraten. Seid aber sicher, dass die einige hochkarätige WTF-Momente enthält, wo man sich mit offenem Mund denkt „Nee, ne? Echt jetzt?“. Wäre ja blöd, wenn ich die vorher verrate. Wer mehr wissen will, kann sich ab dem 19. Juni – da nämlich fällt das Embargo von Sony für eigenes Videomaterial – mein Lets Play auf meinem Gamecheck Guru Youtube-Kanal ansehen. Garantiert ohne nervige Kommentare von mir und ohne, dass ich mein Gesicht als Bild im Bild einblende – ihr könnt euch da also das Game in aller Ruhe anschauen.

(Copyright: Sony/Naughty Dog)

Das Gameplay

Werfen wir doch mal einen Blick aufs Gameplay. Was ist neu, was ist anders im Vergleich zum Vorgänger, was ist vertraut? Nun, grundsätzlich ist auch Teil 2 wieder ein Mix aus Stealth und Action. Es liegt an euch, ob ihr da mit Waffengewalt durch die – meist intelligente – Gegnerschar, bestehend aus Infizierten, Wolves, Scars und einigen anderen pflügt, ob ihr vorsichtig drum herum schleicht oder ob ihr die – frei nach der alten Kegler-Weisheit „Der gute Kegler holt sie einzeln“ einzeln aus dem Hinterhalt meuchelt. Das hat dann durchaus eine taktische Komponente.

(Copyright: Sony/Naughty Dog)

Die Kämpfe

Der Nahkampf ist recht rudimentär gehalten: Ausweichen mit L1, Zuschlagen oder Stechen mit der Quadrattaste, mehr Optionen gibt es nicht. Auch der Kill aus dem Hinterhalt – der stets mit dem Messer in der Kehle des röchelnden Opfers endet, ist vom Bewegungsablauf stets identisch und muss nur mit zwei Tastenklicks zur rechten Zeit ausgeführt werden. Dazu bedarf es keiner größeren Gamingskills.

Mehr Auswahl habt ihr da schon bei den Fernkampfwaffen. Neben diversen Pistolen, Gewehren und Schrotflinten habt ihr unter anderem auch später Pfeil und Bogen am Start für die lautlosen Kills. Alle Waffen lassen sich mit gefundenen Werkzeugteilen bzw. Schrauben an Werkbänken verbessern und upgraden. Da baut ihr beispielsweise explodierende Pfeile oder vergrößert das Magazin der Schrotflinte.

(Copyright: Sony/Naughty Dog)

Viel Sammelkram und mehr Rätsel

Aus anderem Sammelkram wieder bastelt ihr euch Verbandsmaterial, Molotow-Cocktails, Minen oder Schalldämpfer. Sofern ihr zuvor das richtige Bastelbuch gefunden habt. Und da auch die Munition immer knapp ist – hallo Resident Evil – verbringt man die Hälfte der Zeit damit, in Schubladen zu wühlen oder verlassene Häuser nach Material  wie Lappen, Scheren, Klebeband oder Alkohol zu durchsuchen. Was sich jetzt vielleicht etwas lame anhört, aber eigentlich Spaß macht, lädt es doch dazu ein, wirklich jeden Meter der Spielewelt zu erkunden. Zwar ist euer Weg hindurch wieder recht linear, doch ist nach allen Seiten noch etwas Platz für kleinere Abstecher und Umwege. Die sich fast immer auch lohnen. Mein Inventar jedenfalls war fast immer gut gefüllt.

Ins Spiel eingebettet wurden jetzt vermehrt kleinere, komplexe Umgebungsrätsel, die einen hin und wieder auch schon gut beschäftigen können, ohne jetzt aber wirklich kompliziert zu sein. Verschlossene Türen, ein Generator ohne Strom, ein Abgrund, der mit einem Seil überwunden werden muss, das wir zuvor richtig platziert haben – alles Klassiker, die sich aber stimmig ins Spielgeschehen einfügen. Und keine Sorge – hängt man wider Erwarten doch mal zu lange fest, gibt’s einen Tipp von Ellie oder Dina. 

Auch die Tresore sind wieder da. Die lassen sich aber nicht mehr so leicht knacken. Mal ist ihr Code in einem Brief versteckt, mal findet der sich auf einem Wandkalender – oder an ganz anderer Stelle im Spiel.

(Copyright: Sony/Naughty Dog)

 Mach mir die Lara

Was ihr Bewegungspotential angeht, hat Ellie in den letzten Jahren deutlich dazu gelernt – zuweilen erinnert das schon an Lara Croft. Elegant jumpt sie über Mauern, zieht sich an Hauswänden und Seilen empor oder schwingt sich über einen schwindelnden Abgrund. Sie kann kriechen, schleichen und rennen und hat außerdem inzwischen auch ihre Schwimm- und Tauchskills stark ausgebaut. Und das ist gut so, werden die doch immer wieder dringend gebraucht.

Dass Elli dann trotzdem wieder an unsichtbaren Grenzen wie Hecken oder kleinen Mäuerchen scheitert, weil die Entwickler eben nicht wollten, dass es dahinter weitergeht, stört schon ein wenig. Und auch kleine Ungenauigkeiten in der Steuerung, die zum Beispiel dazu führen, dass Elli zigmal vom Dach fällt statt nach der Leiter zu greifen, wollen da nicht so ganz ins perfekte Bild passen. Aber das sind Kleinigkeiten

(Copyright: Sony/Naughty Dog)

Gewalt. Tja. Hm, ich weiß nicht. Etwas too much.

Einen etwas zwiespältigen Eindruck hat bei mir die Darstellung der Gewalt hinterlassen. Es gab Momente, wo ich mich fragte „Musste das jetzt echt sein?“ Elli ist mittlerweile komplett skrupellos geworden und macht keine Gefangenen. Wer ihr blöd kommt – und das sind in diesem Spiel eine ganze Menge Gestalten – der endet mit einem Messer im Hals. Man wolle nichts beschönigen, erklärten die Entwickler dazu. Wenn man jemanden tötet, dann sei das eklig und schmutzig. Und das soll der Spieler fühlen.

Der geradezu selbstverständliche Umgang von Elli und Dina mit dem Thema zeigt, wie abgestumpft die beiden da inzwischen sind. Etwa, wenn sie vergleichen, wer die meisten Infizierten auf einmal getötet hat. Den dabei genannten Rekord mit 20 Infizierten auf einmal hat Elli inzwischen locker geknackt. Die erledigt sie hier locker in einer guten halben Stunde. Mindestens. Leben sind nicht viel wert in The Last of Us 2: Da halten Infizierte schon mal als willkommene Ziele für ein munteres Übungsschießen mit dem Snipergewehr her.

Als ich dann später im Spielverlauf einige Suchhunde der Wolves aus nächster Nähe mit einer Axt erledigen musste, war ich schon erschrocken, dass mich das (selber Hundebesitzer) fast schon emotional mehr berührte als die zahllosen Gegnerkills zuvor. Auch beim Spieler stellt sich da mit der Zeit ein gewissen Abstumpfungseffekt ein. Aber keine Sorge, liebe Politiker: Ich habe trotzdem nie den leisesten Wunsch verspürt, das in der Realität auszuprobieren – so weit geht die Immersion dann auch nicht.

(Copyright: Sony/Naughty Dog)

Gekonnte Tempowechsel und klasse Cutscenes

Das Game spielt gekonnt auf der Klaviatur genau getimter Tempowechsel. Eben noch chillen wir auf einem Sofa und führen tiefsinnige Gespräche über unsere Vergangenheit oder über Gefühle dem anderen gegenüber, um nur wenig später von einer Meute kreischender Mutanten durch dunkle Tunnel gejagt zu werden.

Besonders diese spielbaren Cutscenes gehören zu den absoluten Highlights von The Last of Us 2. Etwa wenn wir mit einem arg zerbeulten Truck mit stotterndem Motor durch eine Schar Infizierter pflügen und die ersten schon ihren Kopf durch die zerborstene Seitenscheibe quetschen. Oder wir gerade noch durch einen Türspalt schlüpfen können, bevor eine Horde brüllender Shambers dagegen wirft. Da schnellt der Puls schlagartig in die Höhe…

Und dann wieder finden wir in einem Theater eine Gitarre, auf der wir – per Controller – ein wenig  herumschrammeln dürfen, bevor sich Ellie an vergangene Zeiten erinnert. Und auch diese Erinnerungen sind spielbar. Perfekt.

(Copyright: Sony/Naughty Dog)

Technik die begeistert

Technisch ist das Game rund und gut, zumindest auf meiner PS4 Pro. Besonders die Animationen und die Mimik, aber auch die Infizierten in ihren vielen Ausprägungen sind absolut gelungen. Bei den Umgebungen wurde auf Abwechslung und Detailreichtum wert gelegt, das ist extrem sehenswert. Es gibt sicher Games, die grafisch noch mehr aus der PS4 herauskitzeln, aber an diesen stimmigen, runden Gesamteindruck reicht kaum ein anderes heran. Einziger Kritikpunkt: Abgesehen von den Gegnern ist die Spielewelt meist ziemlich tot. Gut, die Einwohner haben sich in die QZs geflüchtet, mag man einwenden. Aber nachdem die meisten Menschen tot oder weg sind, sollte man doch annehmen, dass sich die Tierwelt wieder erholt hat. Aber – außer Nutzpferden und Wachhunden ist da nichts. Das hätte man besser machen können.

(Copyright: Sony/Naughty Dog)

Fazit

The Last of Us 2 ist deutlich düsterer und auch brutaler als der Vorgänger. Aus Teenie-Elli ist eine Frau geworden, die im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen geht. Gewalt ist allgegenwärtig. So sehr, dass die Entwickler das Wort „Spielspaß“ nicht in den Mund nehmen wollen. Das Spiel sei „fesselnd“ – und das kann ich dann auch unterschreiben. Auch wenn ich mich manchmal etwas mies gefühlt hatte, wenn ich nicht anders konnte, als das Messer zu ziehen, weil es einfach nicht anders ging. Und auch, wenn sich das viele sinnlose Töten mit der Zeit abnutzt.

Nicht immer ist das nachvollziehbar, da hätte ich mir hier und da mehr Begründung – und auch vielleicht mehr Zweifel seitens Elli gewünscht. Aber sei es drum: Auch deswegen hat mich The Last of Us 2 gefesselt wie kaum ein anderes Spiel zuvor. Es ist – trotz aller kleiner und größerer Unstimmigkeiten, Nachlässigkeiten und Fehler – der erhoffte große Nachfolger geworden und ein würdiger Teil des Abgesangs auf die Playstation 4. Ein Game, das in keiner Sammlung fehlen sollte.

Game: The Last of Us 2
Genre: Action Adventre
Release: 12.06.2020 (PS4)
Entwickler/Publisher: Naughty Dog / Sony
USK: ab 18
Sprachausgabe/Texte: Deutsch /Deutsch
Webseite: https://www.playstation.com/en-us/games/the-last-of-us-part-ii-ps4/
Wertung: 9 von 10