2013 erschien das bewegende Fantasy-Abenteuer „Brothers: A Tale of Two Sons“, das überall Höchstwertungen einfuhr. Eine der Besonderheiten war die Steuerung: Der Spieler lenkte beide Brüder gleichzeitig. Kopf hinter dem Game war der libanesisch-schwedische Filmregisseur und Spieleentwickler Josef Fares. Der gründete ein Jahr später in Schweden die Hazelight Studios. Ihr erstes Projekt war „A Way Out“, in dem zwei Spieler zusammen aus einem Gefängnis ausbrechen müssen; einen Solo-Modus mit Bot-Unterstützung gibt es nicht.

Und nun ist das zweite Game der Hazelight Studios erschienen, mit dem bezeichnenden Titel „It Takes Two“, bei dem der Name Programm ist – denn auch das lässt sich ausschließlich zu zweit spielen. Mit einem Gefängnis hat es dieses Mal aber nichts zu tun. Es sei denn, man empfindet eine Zweierbeziehung als solche.

Audio/Podcast zum Gamecheck:

The Story of May and Cody

Das Spiel handelt von May und Cody, deren Beziehung den Bach runtergeht. Der Alltag frisst sie auf, nur noch Stress und Streitereien. Was natürlich auch Töchterchen Rose mitbekommt, die mit ihren Puppen Heile Welt spielt, um damit klarzukommen. Aber die beiden haben die Nase voll und wollen sich scheiden lassen. Und versuchen, es Rose schonend beizubringen. Die aber macht erstmal komplett dicht und verzieht sich in ihr Zimmer. Dort bittet sie ein seltsames Zauberbuch mit dem Titel „Book of Love“ eines gewissen Dr. Hakim um Hilfe, das sie kürzlich in der Schule aus einem Papierkorb gezogen hat. Auf den ersten Blick ja eigentlich keine Lektüre für ein kleines Mädchen.

Abrakadabra, das sprechende Buch ist da

Und da passiert es: Als ein paar Tränen auf die auf der Fensterbank liegenden Puppen fallen, verwandeln sich ihre Eltern in eben diese. Was die beiden dann doch ein wenig überrascht. Oder besser: Sie geraten in Panik. Ihre Überraschung wird nicht kleiner, als sie auf Dr. Hakim treffen, der ihnen in Gestalt eines sprechenden Buches erscheint. Hat man ja auch nicht alle Tage. Sie glauben erst einmal, in einem schlechten Traum zu sein. Aber Dr. Hakim macht ihnen schnell klar, dass daraus nichts wird. Und er erklärt ihnen dann auch gleich mal, was er von den beiden erwartet und was sie zu tun haben, bevor dieser reale Alptraum endet.

Die beiden sind nicht so angetan von seinem Vorschlag. Stattdessen beschließen sie, Tochter Rose zu finden. Die werde ihren Eltern dann sicher helfen. Das Problem dabei ist: Sie befinden sich gerade im Keller, und die Stufen nach oben sind aufgrund ihrer Größe unerreichbar hoch. Und ihnen wird klar: Da kommen sie nur raus, wenn sie zusammenarbeiten.

Kreativ-Feuerwerk: Wilder Genre- und Location-Mix

Was folgt, ist ein 10-15 stündiges Feuerwerk an Überraschungen, verrückten Einfällen und kreativen Ideen, das es so bisher in kaum einem anderen Game gegeben hat. Wenn nicht sogar in überhaupt keinem. Was hier an Inhalten drin steckt, reicht locker für 10 Spiele aus.

Obwohl eigentlich als Plattformer bzw. Jump & Run ausgelegt, bedient „It Takes Two“ auch so ziemlich alle anderen Spielegenres. Eben noch seid ihr durch eine Höhle voller Maulwürfe geschlichen, um euch plötzlich in einem 2D-Fighter wiederzufinden. Es gibt Anleihen an Diablo, Railshooter-Abschnitte, viel Action-Adventure, Ballereinlagen, Rutsch- und Fluchtsequenzen und sogar Mathe-Aufgaben.

Ebenso zahlreich sind die Schauplätze. Kinderzimmer, Keller oder Garten – klar, das war zu erwarten, das kennen wir aus einschlägigen Filmen wie „Liebling ich habe die Kinder geschrumpft“. Hier aber kämpft ihr euch auch zum Beispiel durch das Innere einer Kuckucksuhr, einer Schneekugel oder eines Kaleidoskops. Was unsere puppenhaften Helden zunehmend verstört.

Abwechslungsreiche Koop-Action

Ihr jagt Sicherungen hinterher, die auf kleinen Beinen vor euch fliehen, diskutiert mit einem Hammer,  lasst euch von Taxifröschen wegen eures Körpergewichts beschimpfen oder erklärt einem Fernglas eure missliche Lage. Ihr kämpft mit coolen Gadgets wie Baller-Kaktus, Harzkanonen, Magnetstiefeln oder sogar Zeit- und Größenmanipulation gegen Bossgegner wie Robo-Wespen oder Staubsauger  oder seid in einem Piratenschiff oder einem Unterhosenflugzeug unterwegs. Nein, fragt jetzt besser nicht. Und als wäre das noch nicht genug Abwechslung, gibt es sogar noch 25 Minispiele, in denen ihr euch mit eurem Mitspieler messen könnt, die „Challenges“. Zwischendurch geht’s dann zusätzlich noch bei Dr. Hakim auf die Couch, um an den Partnerschaftsproblemen zu arbeiten.

Koop only!

All das könnt ihr wie gesagt ausschließlich im Koop zu zweit erleben. Ihr balanciert zusammen auf den Tragflächen eines Papierfliegers, um den nicht abstürzen zu lassen. Oder der eine Spieler  verschiebt Wände, der andere rennt, der eine manipuliert die Zeit, um dem anderen nach oben zu helfen, der eine verschießt Nägel, an denen der andere hochklettert und so weiter.

Das alles geschieht am geteilten Bildschirm, nur die Zwischensequenzen erlebt ihr an einem Screen. Euer Spielpartner bleibt dabei auch hinter Objekten als farbige Silhouette immer sichtbar. Ihr könnt dabei zusammen auf dem Sofa zocken, oder online; in dem Fall benötigt dann nur einer das Game und kann den anderen einfach einladen. Toll.

Viel Action und ein bisschen „Pipi inne Augen“

Ab und zu werden euch dann auch etwas emotionalere Momente geboten, etwa wenn Tochter Rose den scheinbar schlafenden Eltern gut zuredet, während die ja als Puppen unterwegs sind. Oder wenn Cody und May ihre Gefühle füreinander wieder entdecken. Oder aber beim großen Finale, über das ich hier aber nichts verraten will. Trotz dieser schönen Geschichte sollte man sich aber darüber im Klaren sein, dass der Schwierigkeitsgrad von „It Takes Two“ durchaus schon etwas anspruchsvoller ist. Heißt: Wer seinen Partner oder seine Partnerin, die vorher nie gespielt haben, vor PC oder Konsole holt, mag die zwar für die Story begeistern, muss aber trotzdem mit Frustmomenten rechnen.

Daumen hoch auch für die Technik

Technisch gefällt „It Takes Two“ außerordentlich gut. Die Grafik erinnert an einen Pixar-Film, der Soundtrack ist unauffällig, aber stimmungsvoll und unterstreicht perfekt die gerade vorherrschende Atmosphäre . Einziges Manko: leider konnte sich Publisher EA – warum auch immer – nicht zu einer deutschen Synchronisation durchringen, da müssen die deutschen Untertitel ausreichen.

Fazit

Entwicklerchef Josef Farrer hatte im Vorfeld jedem 1.000 Dollar versprochen für den Fall, dass er  sich mit „It Takes Two“ nicht gut unterhalten fühlt. Nun, da muss er sich keine Sorgen machen, dass er da auch nur einen Cent rausrücken muss: Das Game ist derart spaßig, abwechslungsreich und vielseitig, steckt so voller Überraschungen, Ideen und gelungener Tempowechsel und hat dabei so viel Charme, Herz und Verstand, das man es einfach lieben muss. „It Takes Two“ ist schlicht das beste Koop-Game ever, eines, das nicht einfach nur ein aufgeblasenes Solospiel ist, sondern das Zusammenspiel perfektioniert hat und ganz darauf ausgerichtet ist. Wer das nicht spielt, ist selber schuld.

Game: It Takes Two

Genre: Koop-Plattformer/Action-Adventure

Release: 26.03.2021

Entwickler/Publisher: Hazelight Studios / EA

USK: ab 12

Sprachausgabe/Texte: Englisch / Deutsch

Webseite: https://www.ea.com/de-de/games/it-takes-two

Wertung: 10 von 10