A Plague Tale: Innocence

(Copyright: Asobo Studio)

Audio/Podcast zum Gamecheck:

Das Mittelalter wird in Games ja immer mal wieder gerne als Kulisse genutzt. Und fast immer geht’s da dann bunt und fröhlich zu. Anders dagegen im jetzt erschienenen Abenteuer „A Plague Tale: Innocence“. Das Game spielt nämlich 1349, zur Zeit des Hundertjährigen Krieges, da, wo das Mittelalter noch richtig schmutzig und finster war. Ein Kriegsspiel mit wilden Gefechten ist „A Plague Tale“ dann aber nicht, auch wenn der Krieg eine zentrale Rolle spielt.

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Großartige Story

Geschafft! Ermattet, aber glücklich, sinke ich in meinem Gamingchair zusammen. Im gefühlt 100. Anlauf ist es mir endlich gelungen, mich an Dutzenden Wachen vorbei zu schleichen. Aber vielleicht fange ich doch besser mal am Anfang an. Wir sind in Frankreich und schreiben das Jahr 1394 – finsterstes Mittelalter. Wobei Familie De Rune davon kaum was mitbekommt: Als adlige Großgrundbesitzer mit Mini-Schloss stehen sie auf der Sonnenseite des Lebens. Auch wenn die 14jährige Amicia das pubertätsbedingt etwas anders sieht und sich von der Familie gegenüber ihrem kleinen kranken Bruder Hugo vernachlässigt fühlt.

Schnell aber ist Schluss mit Kindheit: Die Inquisition überfällt und verwüstet das Anwesen der Familie. SIe töten das Personal und befragen Vater De Rune hochnotpeinlich nach dem Verbleib seines 5jährigen Sohnes Hugo, an dem sie scheinbar großes Interesse haben. Der aber schweigt – und muss dafür sterben. Von der Mutter gibt’s für Amicia dann einen folgenschweren Auftrag: Sie soll den kleinen Hugo in Sicherheit bringen.

Unter abenteuerlichen Bedingungen gelingt Amicia mit Hugo die elternlose Flucht aus dem elterlichen Haus, vorbei an den wilden Schergen der Inquisition. Ende? Nein, denn jetzt beginnt eine spannende Reise – und Amicia wird aus ihrer heilen Welt in die harte Realität geworfen.

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Pest, Krieg, Hunger und Ratten

„Das ist ein Alptraum“ – stöhnt Amicia mehr als einmal. Und das beschreibt es nur annähernd. Das Land wird von der Pest heimgesucht, die Bevölkerung ist tot, auf der Flucht oder verbarrikadiert sich in ihren Häusern. Außerdem wird Frankreich vom 100jährigen Krieg gebeutelt. Marodierende Trupps ziehen durchs Land, Plündern, vergewaltigen und morden. Überall stoßen die Kinder auf Schlachtfelder voller Leichen. Die Lage ist also extrem angespannt, dementsprechend nervös ist die Bevölkerung. Sie suchen einen Schuldigen für all das – speziell für die Pest. Da kommen die beiden Adelskinder gerade recht.

Womit ich bei der nächsten Plage wäre: Das Ungeziefer. Tausende von Ratten überschwemmen die Dörfer, quellen aus Löchern, fallen von der Decke und über alles her, was noch einen Fetzen Fleisch auf den Rippen hat – egal ob tot oder lebendig. Was dank der speziell dafür geschaffenen Grafikengine wirklich extrem eklig realistisch rüberkommt.

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Schleuder und Kochtöpfe

Soldaten, wütende Dorfbewohner, die Inquisition und wilde Ratten – das klingt schwer nach einem Actiongame und knallharten Schwertkämpfen. Weit gefehlt: Die einzige Waffe Amicias ist eine Steinschleuder. Die fast ausschließlich zur Ablenkung benutzt wird, indem sie auf Gegenstände aus Blech schießt, um die Wachen dorthin zu locken.

Alternativ kann Amicia auch mit Kochtöpfen werfen, die glücklicherweise überall herumstehen. Und wenn gar nichts mehr geht, wird der kleine Bruder vorgeschickt – Koop mal anders. Der klettert dann durch kleine Mauerspalten, um Türen zu öffnen oder Schalter zu betätigen. Dem kann man zum Beispiel auch befehlen zu warten, während man selber als Amicia Wachen ablenkt.

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Alchemie, Feuer und kleinere Rätsel

Später kommt dann auch Alchemie zum Einsatz, für die wir unterwegs die Zutaten sammeln. Nach und nach bekommen wir immer neue Rezepte, um daraus Tränke zu brauen.  Damit können wir Wachen betäuben, ihnen mit Explosivgeschossen die Helme vom Kopf schießen oder mit Feuergeschossen weiter entfernte Feuerstellen zu entzünden. Warum? Weil Feuer unser einziges Mittel gegen die Ratten ist. Anders als in anderen Rollenspielen lassen die sich nämlich nicht mit dem Schwert niedermetzeln oder mit der Schleuder abschießen – dazu wären es eh viel zu viele. So entzünden wir Feuer, wedeln mit Fackeln und können eben  auch mit der Schleuder brennende Geschosse abfeuern (haha, Wortspiel), um damit weiter entfernte Feuerstellen zu entfachen. Da ist einiges an Taktik und Überlegung gefragt.

Überlegen muss man auch bei den gelegentlichen Rätseln. Da muss zum Beispiel ein Mühlrad angehalten werden. Also schließen wir die eine Seite des Wehrs, schicken dann den kleinen Bruder los, einen Hebel weiter hinten zu betätigen, der eine kleine Brücke ausfährt und bitten zuletzt die Mitreisende Mellie, auf der anderen Seite das zweite Wehr zu schließen – da kommt es auf die richtige Reihenfolge an. Mitreisende? Richtig, immer wieder schließen sich uns Helfer an, um uns ein Stück unseres Weges zu begleiten. Denen wir dann ebenfalls per Steuerkreuz Befehle erteilen können.

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Action gibt es auch – ab und zu

Ja, und was ist mit der Action – fragt sich jetzt sicher so mancher? Na ja, die gibt’s auch, aber in Maßen. So könnt ihr mit der Schleuder zwar zumindest die Jungs ohne Helm niederstrecken, was aber letztendlich meist keine gute Idee ist, lockt es fast immer doch massig weitere Gegner an. Außerdem gibt es ab und zu eine wilde Flucht – vor Ratten, vor wütenden Dorfbewohnern, vor Naturgewalten oder vor Soldaten. Die geskripteten Ereignisse lassen für kurze Zeit den Puls hochschnellen und funktionieren samt und sonders nach dem Try & Error-Prinzip. So dauert es dann mehrere Durchläufe, bis man weiß, wo entlang man rennen muss, wo Fallen lauern oder welche Gegnern man per Schleuder ausschalten sollte. Eine schöne Abwechslung von den meist ruhigeren Tönen, auch wenn es mitunter schon etwas nervt, diese Szenen mitunter dutzendfach zu probieren.

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Spielerisch zwar limitiert, aber gut

Zwar ist das Game dann spielerisch mit Schleichen, Schleuder und Feuerrätseln dann etwas limitiert, macht aber das Beste daraus. Oft gibt es mehrere Optionen, mit einer Situation fertig zu werden: Soll ich die näher kommende Wache durch ein  Geräusch ablenken? Oder es riskieren, ihn mit der Schleuder niederzustrecken? Oder ihm doch besser die Lampe aus der Hand schießen, so dass die Ratten über ihn herfallen?

Und ein paar zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten finden sich ja dann auch noch, wie der Bau spezieller Geschosse oder das Upgraden von Schleuder oder Taschen mit gesammelten Materialien an der Werkbank.

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Starke Geschichte, Figuren mit Tiefe und technisch ein Gedicht  

Die wahren Stärken von A Plague Tale liegen aber eh ganz woanders: Nämlich auf den wunderbaren Figuren, mit denen man mitfiebert und mitleidet, die so glaubhaft agieren, dass sie einem direkt ans Herz wachsen, auf ihren Beziehungen zueinander – und auf der wunderbaren Geschichte mit ihren vielen hochemotionalen Momenten, die von zwei Kindern berichtet, die viel zu früh in einer Welt zurechtkommen müssen, die nicht für Kinder gemacht ist.

Auch technisch ist das Game ein Gedicht. Das Mittelalter ist schmutzig und bedrohlich, die Ratten einfach nur eklig, die Charaktere mit ausdrucksstarker Mimik gesegnet. Dazu passt der wundervolle historische Soundtrack von Olivier Deriviere, der schon die Musik für Vampyr komponierte.

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Fazit

Trotz der angesprochenen spielerischen Limitierungen und der oftmals sehr stringenten Schlauchlevel ist A Plague Tale: Innocence ein großartiges Erlebnis, das uns in ein Wechselbad der Gefühle schmeißt, uns mitfiebern lässt, rasend macht, wenn wir zum 100. Mal scheitern, uns mittrauern lässt, Ekel, Schrecken und Entsetzen hervorruft, aber auch mitunter schmunzeln lässt. Das ist eine der größten Überraschungen des noch recht jungen Spielejahres.

 

 

Game: A Plague Tale: Innocence

Genre: Stealth-Action-RPG-Adventure-Mix

Release: 14.05.2019 (PS4, Xbox One, PC)

Entwickler: Asobo Studio

USK: ab 16

Sprachausgabe/Texte: Deutsch 

Webseite: http://aplaguetale.com/

 

Wertung: 9 von 10

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