Oddworld: Soulstorm

(Copyright: Oddworld Inhabitants)

Erinnert sich noch jemand an Oddworld: Strangers Vergeltung? 2005 erschienen, war das – nach Abe’s Odyssee 1997, Abe’s Exodus 1998 und Munchs Odyssee von 2001 der vierte Teil der Oddworld-Reihe. Das war es dann eigentlich auch schon, sieht man mal von drei Gameboy-Ablegern ab sowie dem Abe’s Odyssey-Remake „New ‚n‘ Tasty“ ab, das 2014 den grünen Mudokon letztmalig auf die Bildschirme brachte. Jetzt aber hat sich das Entwicklerstudio Oddworld Inhabitants unter der Führung von Lorne Lanning doch noch einmal zu einem weiteren Oddworld-Titel aufraffen können, nämlich Oddworld: Soulstorm. Und den gibt’s auf der PS5 für Playstation Plus Mitglieder sogar gratis. Na, das kann doch nix sein. Oder etwa doch?

Audio/Podcast zum Gamecheck:

Oddworld? Was’n das?

Oddworld Soulstorm isteine Neuinterpretation von Abe’s Exodus von 1998, allerdings neu erzählt, heißt: komplett andere Level, neue Features, neue Locations, neue Zwischensequenzen. Heißt: Die größte und fast einzige Gemeinsamkeit ist eigentlich, dass es sich an Abe’s Odyssey anschließt. Dass hier alles anders ist, merkt man schon gleich zu Beginn: Während Abe’s Exodus direkt in den Minen beginnt, brauchen wir in Soulstorm einige Stunden, um die zu erreichen.

Für alle, die bisher so gar nichts vom Oddworld-Universum mitbekommen haben, hier mal ein paar Eckpunkte. Im Mittelpunkt stehen die pazifistischen Mudokons, ein Mix aus Amphibien und Gollum. Und die werden von den Industriekartellen der Glukkons versklavt, ausgebeutet und gequält. Bis Abe einen Aufstand anzettelt und anführt, um seine Mit-Mudokons aus der Sklaverei zu führen. Ja, das hat schon was von Moses.

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Hockt ein Mudokon in einer Mine…

Zu Beginn von Soulstorm hockt Abe mit den anderen Mudokons – die ihn als ihren Retter verehren – in einer Höhle und ist froh, den Glukkons entkommen zu sein. Endlich mal in Ruhe die Füße hochlegen und den Erfolg genießen. Aber der alte Stammesweise sieht die Sache etwas anders und mahnt, dass der Drops noch lange nicht gelutscht sei. Der eher schüchterne und zurückhaltende Abe ist aber kein Held und will auch keiner sein. Oder keiner mehr sein. Er hat die Schnauze voll vom Anführer-Dasein und will nur seine Ruhe haben und die nächsten Wochen durchpennen.

Und während man munter diskutiert, ob die Gefahr denn nun vorbei sei oder nicht, kündigt sich neues bzw. altes Unheil an, das jedes weitere Wort überflüssig macht. Der alte Weise spürt es zuerst. Die Glukkons unter der Führung Mollucks haben die Sache mit der abgefackelten Fleischfabrik Rapture Farms nämlich nicht auf sich sitzen lassen und haben Abe und sein Volk aufgespürt. Und wollen zuerst mal Abe an den Kragen und dann dem Rest, weil ihnen selber einige Tough Guys im Nacken sitzen.

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Marx, Engels und Oddworld

Wer mag, entdeckt im Setting harsche System-Kritik: Auf der einen Seite die ausgebeuteten, geknechteten und immer etwas weinerlichen Mudokons, auf der anderen Seite die Glukkons als knallharte Kapitalisten, die ohne mit der Wimper zu zucken über Leichen gehen, um den Gewinn zu maximieren. Was in diversen Cutscenes auch immer wieder schön erzählt wird.

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Was mache ich da eigentlich?

Spielerisch ist Soulstorm ein Mix aus Plattformer mit einer Prise Stealth in 2,5 D, heißt: Die Grafik ist dreidimensional, ihr könnt euch aber nur von rechts nach links oder von links nach rechts bewegen. Ja, ja, oder hoch und runter, schon klar. So durchstreift ihr also in 15 Kapiteln die dystopischen Welten, sucht Mudokons, die ihr retten könnt und schlagt euch dabei mit den Glukkons und fiesen Fallen rum. Ihr schleicht, rennt, klettert, rollt oder springt, überwindet Abgründe, weicht Hindernissen aus, versteckt euch in Spinden, stehlt euch leise an Gegnern vorbei, bewerft sie mit Brandbomben, um sie dann zu fesseln und auszurauben oder steuert sie mit euren Chant-Kräften fern. Immer wieder müsst ihr scharf nachdenken oder einfach ausprobieren, wie ihr weiterkommt – perfektes Timing ist da oft die halbe Miete.

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Das ist neu

Neu ist die Crafting-Funktion. Gesammeltes Wasser oder die Brennpaste könnt ihr direkt einsetzen, um die Umgebung in Brand zu setzen oder Feuer zu löschen. Ihr könnt aber auch basteln – etwa Nebelschleier aus Mehl und Brennpaste. So richtig freie Wahl habt ihr da aber nicht: Das Game gibt euch die Fundstücke pro Kapitel vor und leert euren Rucksack auch am Ende, so dass ihr in jedem Kapitel ausrüstungstechnisch wieder bei null anfangt. Da wirkt das Crafting zum einen doch etwas aufgesetzt, zum andern bremst es den Spielfluss unnötig aus.

Den unterwegs gefundenen Mudokons gebt ihr einfache Befehle, um sie zum rettenden Ausgang zu bringen, die sich auf „Warte“ und „Folge mir“ beschränken. Außerdem könnt ihr denen auch Items in die Hand drücken, damit sie besser geschützt sind, aber auch das ist eher nett gemeint als sonderlich effektiv. Je mehr Mudokons ihr in jedem Level befreit, desto höher ist euer Quarma-Level. Erreicht der mindestens 80 %, erwartet euch ein positives Ende, ansonsten: Loser!

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Das hätte man besser machen können

Das an sich recht unterhaltsame Gameplay hat aber leider auch so seine kleinen Macken, spielerischen Unzulänglichkeiten und grob unfaire Stellen – wie die Heckenschützen, die einen aus gefühlt 10 Kilometer Entfernung erwischen, was schon deshalb blöd ist, weil Abe meist schon nach einem Treffer das Zeitliche segnet.

Die Steuerung ist nicht immer ganz genau, was dazu führt, dass ich beim Fesseln eines Gegners wertvolle Zeit verliere, froh gelaunt in den nächsten Abgrund hüpfe oder beim Bombenentschärfen mal wieder einen Schritt zu weit laufe, so dass es mich zerreißt. Und auch die eingesammelten Mudokons sind oft nervig träge. Vermutlich hatten meine Nachbarn schon des Öfteren den Hörer in der Hand, um die Polizei davon zu unterrichten, dass nebenan einer ständig brüllt „Nun beweg dich endlich, du lahme Sau“ und daher häusliche Gewalt vermuteten.

Wäre ja alles nicht so wild, wenn ich selber speichern könnte. Kann ich aber nicht, die Savepoints sind festgelegt. Wenn ich also nach so einem Speicherpunkt vorsichtig fünf Minen entschärft, mir eine Kiste Nebelwerfer gebraut und die mitlatschenden Mudokons geheilt und mit Items versorgt habe, und mich dann eine einstürzende Brücke jäh erwischt, oder ein Mudokon nicht in den Schrank will, muss ich – guess what? – ja genau, sämtliche Aktionen noch einmal durchkaspern. Was spätestens beim dritten Mal unschöne Auswirkungen auf meinen Blutdruck hat. Zum Glück sind wenigstens die Ladezeiten auf der PS5 knackig kurz.

Ja, weniger wäre da manchmal mehr gewesen: Crafting – wie gesagt – überflüssig, kann weg, genau wie das Ausrüsten der Mudokons, beides bremst nur den Spielfluss und bringt nicht wirklich mehr Spaß. Was jetzt aber negativer klingen mag, als es sollte – man kann trotz dieser kleinen Macken durchaus viel Spaß mit Oddworld Soulstorm haben.

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Grafik und Sound

Technisch macht das Game – zumindest in der von mir getesteten PS5-Version – eine gute Figur. Die vielen unterschiedlichen Abschnitte sind detailliert ausgestaltet, dazu die schönen  Umgebungs-, Licht- und Partikeleffekte, die Animationen und die vielen liebevollen Kleinigkeiten im Hintergrund, das alles macht den optischen Eindruck rund und stimmig. Nur schade, dass es keine deutsche Sprachausgabe gibt, da müssen dann die deutschen Untertitel reichen. Die erweiterten technischen Möglichkeiten des PS5-Controllers wurden übrigens nicht genutzt – Astros Playroom hatte da gezeigt, dass das ein fettes Plus an Spielspaß bedeuten kann, wenn man sich derer annimmt. Die Chance haben die Entwickler vertan, warum auch immer.

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Fazit

Wer Oddworld Soulstorm spielt, braucht schon starke Nerven, hier wird euch nichts geschenkt, da steckt viel Trial & Error drin – oldschool eben. Andererseits liefert das Game in seinen besten Momenten viel Schleich- und Rätselspaß, hat auch immer wieder einige Überraschungen parat und gefällt auch technisch. Mit etwas mehr Feinschliff wäre es aber noch wesentlich besser geworden. PS5-Besitzer greifen da bedenkenlos zu (solange es das Game noch kostenlos gibt) alle anderen überprüfen vorab besser ihre Frustresistenz. Kein Game für Warmduscher.

Game: Oddworld: Soulstorm
Genre: Stealth-Plattformer
Release: 06.04.2021
Entwickler/Publisher: Oddworld Inhabitants
USK: ab 16
Sprachausgabe/Texte: Englisch / Deutsch
Webseite: http://www.oddworld.com/
Wertung: 7 von 10