F1 2021

(Copyright: Codemasters)

 „Warum soll ich wie ein Trottel mit den anderen im Kreis fahren“ – fragte Niki Lauda 1979 ganz provokant. Sprachs und verschwand erst einmal für die nächsten drei Jahre aus dem Rennzirkus. Um 1984 dann doch wieder Weltmeister zu werden. Er konnte es halt einfach nicht lassen. So ähnlich geht es mir auch jedes Jahr erneut, wenn ich die Neuausgabe von Codemasters offiziellem F1-Game in den Händen bzw. auf der Konsolenplatte habe. „Warum soll ich wie ein Trottel im Kreis herum fahren“, frage ich mich dann. Fast jeden Kurs bin ich in den letzten Jahren doch schon 1000x virtuell gefahren. Aber dann siegt doch wieder die Neugierde. Nur mal eben schauen, wie das Fahrgefühl ist und was es so Neues gibt. Um dann Stunden später festzustellen: Es hat mich wieder gepackt. Ja, auch dieses Mal wieder bei der aktuellen Wie-ein-Trottel-im-Kreis-Herumfahr-Simulation F1 2021. Die wir uns jetzt mal gemeinsam anschauen.

Audio/Podcast zum Gamecheck:

Huch, was macht denn EA hier?             

Die erste Überraschung wartet schon direkt kurz nach dem Start: „EA Sports. It‘s in a game“ – schallert es uns da entgegen. Genau, jetzt hat EA seine Finger auch noch in der Formel 1. Und damit sich wohl jede Sportart unter den Nagel gerissen, mit Ausnahme vielleicht vom Wettklöppeln und den Meisterschaften im Handyweitwurf. Letzteres gibt’s übrigens wirklich, der Weltrekord liegt bei 67,58 Meter. Aber keine Panik. Denn erstens stammt F1 2021 immer noch aus den bewährten Händen von Codemasters und zweitens hat das Game sogar ein wenig davon profitiert.

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Voll in die Eisen: Braking Point

Zum Beispiel kommt es mit einem überraschend ansprechenden Story-Modus namens Braking Point, also „Bremspunkt“. Gut, die Handlung ist jetzt übermäßig exklusiv, sondern bedient sich altbewährter Strickmuster, die wir aus zahlreichen einschlägigen Filmen und anderen Sportspielen schon kennen: Es beginnt damit, dass sich ein 18jähriger Jungspund – der hier Aiden Jackson heißt – in die Königsklasse fährt, als er das letzte Rennen in der Formel 2 gewinnt. Daraufhin bekommt er gleich von fünf Rennställen ein Angebot: Haas, Alfa Romeo, Williams sowie AlphaTauri und Racing Point. Ist aber komplett wumpe, für wen ihr euch entscheidet, das ändert nix an der Storyline. Wo auch immer ihr landet, trefft ihr dort auf den erfahrenen Altpiloten Casper Akkerman, mit dem Aiden erstmal so seine Probleme hat. Der nämlich hat gar keinen Bock auf einen so unerfahrenen Teamkollegen, weil er fürchtet, so in der Mannschaftswertung dann nichts reißen zu können.

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Story vom Reißbrett, aber mit viel Human Touch

Und außerdem ist da noch der arrogante Emporkömmling Devon Butler, ein Typ wie Tullius Destructivus aus „Streit um Asterix“: Immer darauf bedacht, alle gegeneinander auszuspielen, Unfrieden zu stiften und sich dabei selber für den Größten zu halten. Der tauchte übrigens in F1 2019 schon einmal auf. Unkraut vergeht nicht. Es wird also kräftig gemenschelt, dazu kommen die üblichen Teamgeschichten zwischen den Rennen, die gewohnten Kurzinterviews mit den ebenfalls gewohnt dumpfbackigen Fragen, und – ach ja richtig, fast vergessen – Rennen werden zwischendurch dann auch noch gefahren. Allerdings nie komplett, sondern stets nur in Form kleinerer Aufgaben wie nach einem Unfall wieder nach vorne fahren, die schnellste Runde absolvieren oder mit einem ramponierten Auto doch noch ankommen.

Und um noch ein bisschen mehr Human Touch in die ölige PS-Geschichte zu bringen, wird auch gerne mal mit der Heimat telefoniert. Akkermann mit seiner kleinen Tochter mit viel HDL, und Aiden mangels Tochter halt mit Mutti, die stets gute Ratschläge für das nächste Rennen parat hat: Immer schön in den Rückspiegel schauen und sich an die Höchstgeschwindigkeit halten. Und Junge, geh mal zum Friseur! Das alles ist dramaturgisch sauber inszeniert und bildgewaltig in Szene gesetzt worden – schöne Einspieler, saubere ambitionierte deutsche Synchro – der Teil unterhält für rund sechs Stunden sehr ordentlich.

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Das Haar in der Story-Suppe

Und ihr ahnt es schon: Jetzt kommt das große ABER: In den Rennen gibt’s nur drei Schwierigkeitsstufen. Von denen die ersten beiden viel zu leicht und die letzte – zumindest für den Beginn – fast schon zu heftig ist. Wäre das ein Getriebe, so würde ich sagen: Da fehlt ein Gang, das ist schlecht abgestuft. Ebenfalls blöd, dass es völlig egal ist, ob ihr nun nur die Zielvorgaben erfüllt oder sogar erster werdet: Es kümmert einfach niemanden. Die Story wird komplett linear durchgezogen, und alles was rechts und links der roten Linie passiert, wird geflissentlich ignoriert.

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Die übrigen Spielmodi

Aber gut, so ein Storymodus ist eh nur das Sahnehäubchen in einem Sportspiel – oder besser: Die Ehrenrunde, um mal im Bild zu bleiben. Viel wichtiger ist doch, was sonst noch so geboten wird. Und da ist wieder alles dabei, was man in einem Racer erwarten darf: Einzelrennen, Zeitfahren, Grand Prix nach Wunsch, der im letzten Jahr neu eingeführte My-Team-Modus oder eine Karriere über 10 Jahre inklusive Wagenentwicklung und Teammanagement. Das ist schon ein ordentliches Paket, das Codemaster da wieder geschnürt hat. Gestrichen wurde dieses Mal nur die Rennen in den klassischen Fahrzeugen, aber damit kann ich gut leben.

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Das ist sonst noch neu

Dafür wurde dann aber an vielen kleinen Details geschraubt und verbessert: Der beliebte Splitscreen-Modus funktioniert jetzt auch über eine ganze Saison, auch die Karriere lässt sich online zu zweit spielen – entweder im selben Team oder als Rivalen. Außerdem können lästige Nebentätigkeiten zwischen den Rennen ab sofort auch automatisiert werden, auch ist die Entwicklungsabteilung jetzt übersichtlicher.

Neues gibt es auch bei der Fahrphysik. Die nämlich hat Codemasters – genau wie endlich auch das Schadensmodell – verbessert und überarbeitet und noch etwas realistischer gemacht – wenn auch F1 2021 von einer echten Simulation natürlich immer noch so weit entfernt ist wie Mick Schumacher von einem Podiumsplatz. Experten können sich aber dank der noch umfangreicheren Einstellmöglichkeiten schon ein durchaus anspruchsvolles Fahrerlebnis zusammenbasteln, während Einsteiger mit allen aktivierten Fahrhilfen fast wie auf Schienen unterwegs sind.

Die neuen Vorgaben der FIA – wie die Änderungen am Unterboden, die jetzt verbotene Änderung der Motorenleistung während des Rennens oder die Gemischänderung wurden selbstverständlich mit eingepflegt und machen sich beim Fahren auch durchaus bemerkbar.

Sämtliche Strecken sind im Original vertreten, lediglich Imola, Jeddah und Portimao sollen noch per Update nachgereicht werden – genau wie die aktuellen Fahrzeuge, Teams und Piloten der erneut vertretenen Formel 2, die zum Release des Spiels noch auf dem Stand der Vorsaison waren. Aber das hat ja auch im letzten Jahr verlässlich geklappt.

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NextGen, Podium Pass und Technik

Die Nextgen-Versionen des Games profitieren von schnelleren Ladezeiten und einer höheren und stabileren Bildrate. Außerdem wird auf der PS5 auch der DualSense-Controller gut genutzt, der ein schönes Feedback des Fahrerlebnisses liefert. Da Klicken die Gänge, spürt ihr beim Bremsen einen Widerstand und vermitteln die adaptiven Schultertasten in engen schnellen Kurven einen Hauch von Fliehkräften, so dass ihr noch etwas mehr drin seid im Renngeschehen. Die Funk-Sprachsteuerung wurde allerdings für die Nextgen-Vertreter gestrichen, warum auch immer.

Leider konnte sich Codemasters nicht entschließen, sich von dem nervigen Podium Pass zu trennen, mit dem sich – teilweise auch gegen Echtgeld – sinnloser Firlefanz erwerben lässt, wie skurrile Siegerposen oder Jubel-Funksprüche, Sachen, die echt niemand braucht. Trotzdem wird man nach jedem Rennen darauf hingewiesen, inklusive der Aufforderung, doch den Item-Shop zu besuchen, wo es noch mehr von dem Blödsinn gibt. Abschalten kann man das leider nicht. Wie gesagt: Nervig und komplett überflüssig.

Technisch gibt’s ein paar kleine Verbesserungen gegenüber der letzten Version, die ja ohnehin schon gut aussah und sich auch gut anhörte. Die Boliden sehen noch ein klein wenig schicker aus, die Strecken noch detailreicher, das Wettermodell noch etwas echter. Corona kommt im Spiel nicht vor: Die Rennen laufen vor vollbesetzten Rängen, Abstand oder Maske sind auch in der Box Fremdwörter. Das kann man gut finden oder eben unrealistisch.

(Copyright: Codemasters)

Fazit

F1 2021 macht da weiter, wo der sehr gute Vorgänger aufgehört hat, und verbessert ein klasse Game noch einmal an den richtigen Stellen. Gestrichen wurde wenig, dafür einiges ergänzt und viele Details überarbeitet und verbessert. Der Story Modus ist eine nette Bereicherung, die Verbesserungen bei Fahrphysik und Schadensmodell sind spürbar und mit der Möglichkeit, die Karriere auch zu zweit erleben zu können,  wurde einer der sehnlichsten Fanwünsche in die Tat umgesetzt. So ist  F1 2021 immer noch oder schon wieder einer der besten Racer derzeit.           

Game: F1 2021
Genre: Racer
Release: 16.07.2021
Entwickler/Publisher: Codemasters / EA Sports
USK: ab 0
Sprachausgabe/Texte: Deutsch / Deutsch
Webseite: https://www.ea.com/de-de/games/f1/f1-2021
Wertung: 8 von 10