Need for Speed Heat

(Copyright: Electronic Arts)

Audio/Podcast zum Gamecheck:

Zählt man die Mobile-Auskopplung „No Limits“ mit, so kam EAs Racer-Reihe „Need for Speed“ in den letzten 25 Jahren auf 24 Teile. Nach „Hot Pursuit“ 2010 und „Shift 2: Unleashed“ 2011 ging es aber stetig bergab. Trauriger Tiefpunkt vor zwei Jahren war dann der vorerst letzte Teil „Need for Speed: Payback“: „Müde Fortsetzung mit miesen Mikrotransaktionen“ titelte die Presse. Nun hat EA ausgerechnet Ghost Games beauftragt, diese Scharte wieder auszuwetzen. Die waren ja schon für die letzten drei Serienteile verantwortlich, die – wie gesagt – allesamt nicht wirklich überzeugen konnten. Haben die daraus gelernt? Machen sie es mit dem 25. Teil, „Need for Speed: Heat“ besser? Schauen wir mal.

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Die Spielewelt: Klein, nett, aber ohne oho

Schauplatz der Jubiläumsausgabe ist die fiktive Stadt Palm City. Die offene Spielewelt bietet genau das, was man aus zahlreichen anderen Racern schon kennt: Ein bisschen Hochhaus-Metropole, Strandabschnitte, Highways und Überlandfahrten, und natürlich kurvenreiche Hügelstrecken. Sogar die obligatorische Raketenbasis fehlt nicht. Von allem ist also etwas dabei. Oder – „Aus jedem Dorf ein Köter“ – wie meine Oma immer zu sagen pflegte.

Es gibt also Abwechslung genug, aber keine Highlights, die länger als ein Ampelstopp in Erinnerung bleiben. Wie in Racern üblich fehlen auch jegliche Art von Fußgängern oder Radfahrern, von einer Tierwelt ganz zu schweigen – ein Leben außerhalb der Autos findet in Palm City nicht statt – der feuchte Traum der „freie Fahrt für freie Bürger-Fraktion“, die alles, was mit weniger als 200 PS unterwegs ist, ohnehin für störende Verkehrshindernisse halten.

Hinzu kommt, dass diese Spielewelt verdammt klein ist. Währ end ich bei Forza Horizon 4 eine gute halbe Stunde damit verbringen kann, vom einen Rand der Karte zum anderen zu fahren, muss hier niemand vor Fahrtbeginn noch mal schnell auf s Klo – es sei denn, seine Blase schreit alle 5 Minuten nach Entleerung. Nee, da hatte so ziemlich jeder Open-World-Racer in den letzten Jahren mehr zu bieten.

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Die Story: Warum illegale Straßenrennen nichts mehr taugen

In der Story wird zum gefühlt tausendsten Mal die Geschichte vom Neuling in der Stadt aufgewärmt, der sich in legalen und illegalen Straßenrennen beweisen muss, um an die Spitze zu fahren. Was immer er da auch will. Noch abgedroschener ist wohl nur noch die immer wiederkehrende Rettung von Prinzessin Peach aus den Klauen von Bowser.

Immerhin versucht sich Heat hier mit einem neuen Kniff: Tagsüber fahre ich legale Rennen auf abgesperrten Straßen von Palm City, um Geld für neue Karren und Tuningteile zu verdienen. Die ich aber nur bekomme, wenn ich auch genug Ansehen in der Szene habe. Und das wiederum verdiene ich mir dann nachts in den illegalen Straßenrennen.

Wobei ich persönlich ja finde, dass der Lack bei diesen „illegalen Straßenrennen“ inzwischen völlig runter ist. In Zeiten, wo bei uns hirntote Asis mit ihrem tiefergelegten Golf oder Papis Porsche rücksichtslos durch die Innenstädte nageln, um zu checken, wer als erster an der nächsten Ampel ist – und dabei in letzter Zeit wiederholt Menschen umgebracht haben – fällt es mir schwer bis unmöglich, mich mit den Protagonisten von Heat zu identifizieren. Ich gebe zu: Fast war ich geneigt, dem Polizeichef bei seiner Rede gegen die Raser auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: Jo, mach mal, finde ich absolut korrekt.

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Irgendwie scheint auch den Entwicklern aufgegangen zu sein, dass hier die Gut/Böse-Achse zu verrutschen drohte. Weshalb man dann schnell das Saubermann-Image von Lt. Frank Mercer und seiner „Highspeed Taskforce“ strich, indem man aus ihnen eine Bande korrupter Cops machte, die die Racer nachts jagen, um deren Wagen auszuschlachten und zu Geld zu machen. Und wer das gemein findet: Heult leise! Wer nachts mit Tempo 300 durch die Stadt heizt, soll sich bitte nicht beschweren, wenn die Cops die Samthandschuhe im Handschuhfach lassen um ihm die Karre unter dem Arsch wegklauen. Ob die die Kohle dann ordnungsgemäß der Staatskasse zuführen oder sich damit eine Kreuzfahrt finanzieren ist mir wumpe. Je weniger von diesen Deppen unterwegs sind, desto besser.

Immerhin beschert dieser Plot Twist ein weiteres Ziel: Wir müssen nicht nur der beste Racer der Stadt werden, sondern auch die (O-Ton EA) „korrupten Machenschaften des Lt. Mercer aufdecken um zu überleben“. Was auf dem Papier zwar schön dramatisch klingt, in der Praxis aber nur die Fassade für die Spirale Rennen, Geld, Ansehen, Teile kaufen, fettere Karre, fettere Rennen, noch mehr Geld, noch mehr Teile usw. abliefert.

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Hat da jemand Forza gesagt?

Die Action auf der Straße ist überschaubar. Gut, es gibt Rundrennen und Sprintrennen, später auch Offroad und die – mir persönlich verhassten – Driftwettbewerbe mit maximal 8 Fahrern. Kaum ein Event dabei, das länger als 5 Minuten dauert. Auf der Karte klappert man einen Punkt nach dem anderen ab und darf bei Fahrt von A nach B – auch schon mal durch Werbetafeln springen, an Blitzern vorbeirasen oder sammelt Kram für das optische Tuning ein. Ja, richtig, genau wie in Forza Horizon. Nur nicht ganz so abwechslungs- und einfallsreich. Das ist alles ganz ordentlich, aber nie bemerkenswert oder gar neu.

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Von Schadensmodellen und dem Tag/Nacht-Schalter

Dass ich auf meinen Fahrten durch die Stadt so ziemlich alles ungebremst umbügeln kann, was mir im Weg steht, ist anfangs irritierend. Wartehäuschen, massive Laternenmasten, Palmen – durch alles schneidet mein Bolide wie ein heißes Messer durch die Butter, wird aber immerhin mit leichtem Tempoverlust bestraft.

Ansonsten finden sich äußerlich ein paar Dellen und Kratzer. Und wenn die Schadensanzeige – die nicht mit den optischen Schäden korreliert – doch mal in den roten Bereich kommt, reicht es, durch eine Tanke zu heizen, um die Karre wieder in Schwung zu bringen. Was bis zu 3 Mal pro Tag bzw. Nacht funktioniert.

Apropos Tag/Nacht-Wechsel: Den läuten wir selber ein, wenn wir in einen Unterschlupf fahren. Bei Tag reinfahren, auf Nacht klicken, und schwupps: Isses dunkel. So kann man sich als Grafiker auch eine Menge Arbeit sparen.

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Von Cops im Wasser und KI ohne Gummiband

Während ich tagsüber also ganz unbehelligt munter die Infrastruktur und Zivilfahrzeuge schrotte, hat man nachts dann ziemlich schnell die Cops an der Stoßstange hängen. Selbst, wenn man sich an alle Regeln hält. Die gilt es dann erst einmal abzuhängen. Was eigentlich relativ einfach ist, wenn man den Bogen erst mal raus hat: Einfach ins nächste Gewässer hüpfen. Und während euch das Game dann wieder zurück auf die Straße setzt, saufen die Staatsbediensteten ab. Das Leben kann   manchmal so einfach sein. Trotzdem gehören diese Verfolgungsjagden zu den besseren Aspekten von Heat.

Womit wir – welch gekonnte Überleitung – beim Thema KI wären. Die ist recht simpel gestrickt, verzichtet aber dankenswerterweise auf den Gummibandeffekt. Das Problem: Liegt Ihr mit Eurem Wagen unterhalb der Mindestanforderung, habt Ihr kaum eine Chance, liegt ihr darüber, fahrt ihr dem kleinen Feld meist mühelos davon. Hier wäre eine Spur Gummiband vielleicht doch nicht verkehrt gewesen.

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Fahrverhalten & Multiplayer

Das Fahrverhalten der Boliden ist irgendwie merkwürdig, ich jedenfalls bin damit nicht wirklich warm geworden. Wechselnder Untergrund macht kaum einen Unterschied (außer, dass man auf Regen besser driften kann, weshalb es dann eigentlich ständig regnet), mal schlingert die Karre wie blöd und will so gar nicht vom Fleck kommen, um im nächsten Augenblick wie ein Stein in der Kurve zu liegen. Unbeständig und schwammig – wenn ich es charakterisieren müsste. Aber mag sein, dass andere Fahrer damit wunderbar klar kommen.

Multiplayer gibts auch. Auch wenn der erst gar nicht auffällt, da ihr dann mit euren Solo-Errungenschaften in derselben Spielewelt unterwegs seid, nur dass ihr dort nun auch gegen menschliche Fahrer antreten könnt. Oder ihnen eine Nachricht schickt. Oder in die Karre rauscht. Das sieht mehr so nach „Ach ja, Multiplayer hätten wir ja fast vergessen“ aus.

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Technik, die nicht immer begeistert

Grafisch hinterlässt Need for Speed Heat einen zwiespältigen Eindruck. Der Regen, die Leuchtreklame bei Nacht, die Skyline, das Geschwindigkeitsgefühl – alles groß und gut. Ganz im Gegensatz zu der fehlenden Abwechslung auf dem platten Land, den kleinen PopUps, den nachladenden Texturen und den merkwürdigen Schatten. Wohl auch deshalb regnet es dauernd.

Gleiches gilt für den Sound. Die deutsche Synchronisation ist durchaus ordentlich, auch wenn die Dialoge wieder mal oft zum Fremdschämen sind. Der Soundtrack dagegen ist erschreckend belanglos und lahm. Was nicht nur daran liegt, dass dieser Latino-HipHop-EDM-Mix echt nicht mein Fall ist. Hinzu kommt, dass irgendjemand den Motoren die Bässe geklaut zu haben scheint, die röhren sich munter durch den Mittenbereich. Alles in allem fehlt hier einfach der akustische Bumms.

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Fazit

Fazit: Need for Speed Heat bemüht sich, auch durch Anleihen bei der Konkurrenz, alles richtig zu machen – und verzichtet zum Glück auch auf Mikrotransaktionen und Lottospiele – verliert sich bei alldem aber im Sumpf der Belanglosigkeit.  Ja, die Cop-Verfolgungen machen schon Spaß, der Fuhrpark ist ok, das Tuning-Angebot reichhaltig. Aber da ist nichts, was mir längere Zeit im Gedächtnis bleiben würde: Die Stadt zu trist, die angebotenen Charaktere unsympathisch, die Rennen und die KI simpel. Need for Speed Fans machen mit Heat sicher nichts verkehrt. Alle anderen fahren lieber weiter Forza, Drive Club oder Burnout.

 

Game: Need for Speed Heat

Genre: Racer

Release: 08.11.2019 (PC, PS4, Xbox One)

Entwickler/Publisher: Ghost Games / EA

USK: ab 12

Sprachausgabe/Texte: Deutsch /Deutsch 

Webseite: https://www.ea.com/de-de/games/need-for-speed/need-for-speed-heat

 

Wertung: 6 von 10