25 Jahre ist es nun her, dass Capcom seine Kult-Survival-Horror-Serie Resident Evil das erste Mal auf uns los ließ – damals noch auf PC, Sega Saturn und Playstation 1. Hauptakteure waren damals Jill Valentine und Chris Redfield, Schauplatz war ein altes Herrenhaus. Seitdem ist eine Menge passiert. Das Game hat mehrfach die Richtung gewechselt, oder besser: sich neu orientiert, wie etwa in Teil 4, der zum 3rd-Person-Shooter mit Quick Time Events wurde, oder Teil 7, der wieder mehr zurück zu den Survival-Wurzeln fand. Und jetzt also Teil 8. Der eigentlich ja schon der zehnte Teil ist – ich sag nur Code Veronica und Zero – und außerdem gar nicht Resident Evil 8 heißt, sondern Resident Evil Village. In welche Richtung geht’s dieses Mal? Mehr Baller-Action oder doch mehr Survival Horror? Schauen wir doch mal rein.
Audio/Podcast zum Gamecheck:
Transsilvanien? Echt jetzt?
Teil 8 – also Village – spielt gut drei Jahre nach den Geschehnissen des Vorgängers Biohazard, das ja bekanntlich oder auch nicht in Louisiana spielte. Wer Biohazard nicht gespielt hat, der kann sich am Anfang von Village eine kleine Rückschau reinziehen und ist so auf dem aktuellen Stand. Nach den unschönen Erlebnissen in Louisiana wollen Ethan und Mia da möglichst weit weg. Naheliegendes Ziel, wenn man dem Horror den Rücken kehren will, ist dann natürlich Rumänien. NOT! Leute, Transsilvanien, Vampire, Dracula – Rumänien ist ein echter Hotspot für okkulten Monsterscheiß, wie kann man auf so eine dämliche Idee kommen?
Aber ok, die Amis haben es ja bekanntlich nicht so mit der Geografie außerhalb ihres Landes. Selbst Trump schwärmte ja mal von einer Stadt namens Belgien und hielt Paris für die Hauptstadt von Deutschland. Wie auch immer, Ethan und Mia jedenfalls finden Rumänien, lassen sich dort nieder, und bekommen ein Töchterchen namens Rose. Während Mia die alten schrecklichen Ereignisse ad acta gelegt hat, sorgt sich Ethan immer noch, dass das alles noch nicht vorbei sei.
Und seine Vorsicht ist durchaus berechtigt. Mitten in der fast heilen jungen Familienwelt fallen plötzlich Schüsse. Mia geht getroffen zu Boden, und während Ethan noch versucht, sie zu retten taucht ein bewaffneter Mann auf und vollendet das blutige Werk. Es ist…
WTF! Chris Redfield?
Chris Redfield? Ja, genau, was zum Teufel? Und warum entführt er Ethans und Mias Tochter? Das würde Ethan auch zu gerne wissen, doch wird er kurzerhand niedergeschlagen. Als er wieder zu sich kommt, liegt er irgendwo jwd im Tiefschnee in der Walachei, um ihn herum tote Söldner. Und Ethan fragt sich zu Recht: „Wo zum Teufel bin ich hier?“
Nun, to make a long story short: gelandet ist er in einem verfallenen rumänischen Winterbergdorf, das von einer Hexe namens Mutter Miranda, ihren vier grotesken Kindern und ihren Monstern beherrscht wird, die wohl auch hinter den toten Dorfbewohnern und dem Verschwinden von Rose stecken. Dein Job ist es also, das Mysterium des Dorfes aufzudecken, deine Tochter zu finden und zu retten und vor allem: lebend aus der Geschichte herauszukommen.
Mehr Ballern
Village ist nahezu perfekt für all die, die Spaß an einem fast perfekten Mix aus Horror-Survival und Shooter haben. Village ist nämlich wieder etwas action- bzw. ballerlastiger als sein Vorgänger, ja, stellenweise übertreibt es das Game da sogar ein bisschen, wenn wir phasenweise Werwölfe geradezu kompanieweise weghauen müssen. Was mit der fetten Bewaffnung aber dann trotzdem noch irgendwie Laune macht. Pumpgun, Sniper, Pistolen, Rohrbomben oder Minen finden wir im Dorf oder kaufen es beim Händler (eine kleine Reminiszenz an Teil 4), bei dem wir unser Arsenal auch pimpen können. Auch das Waffengefühl stimmt. Gegner werden physikalisch korrekt zurückgeschleudert, jede Waffe fühlt sich etwas anders an, der Wechsel mit den vier Slots klappt blitzschnell – und ja, ihr könnt natürlich auch laufen UND schießen.
Subtiler Horror
Aber Resident Evil Village vernachlässigt bei aller gelungener Action nicht den subtilen Horror. Was da allein in der stimmungsvollen Schlosslocation oder im Haus des Puppenmachers abgeht, ist nichts für schwache Nerven. Die erstklassigen Licht-Schatten-Effekte bauen zusammen mit dem extremst gelungenen Sounddesign eine unterschwellige Angstkulisse auf, so dass uns das kleinste Geräusch zusammenzucken lässt. Wohl wissend, dass hinter jeder Tür, hinter jeder Ecke, das Grauen lauern kann. Aber nicht zwingend muss. Das hält den Puls oben.
Prachtvoll eingerichtete Säle, lange Korridore, dunkle Keller im Schein der Taschenlampe, eisige Innenhöfe, schummrige Dachböden oder schwindelerregende Wehrgänge – das Game lässt das nichts aus. Und das ist nur das Schloss. Hinzu kommen noch drei weitere, große Locations, einige kleinere plus das Dorf als zentraler Ausgangspunkt für unsere Unternehmungen, in das wir immer wieder zurückkehren – um dort immer neue Wege freizuschalten oder Türen zu öffnen. Langweilig wird das nie.
Kleine und etwas größere Rätsel…
Was mich zu den kleineren und … na ja … ein klein wenig größeren Rätseln bringt. Klar, da fehlt dann zwar nicht die übliche Schlüssel-Sammelei oder das Platzieren oder Drehen von Statuen. Aber dass ich Feuerschalen entzünde, in dem ich sie im richtigen Rhythmus anstoße, eine Geheimtür öffne, indem ich auf versteckte Glocken schieße oder ein Familienfoto in einen Briefkasten werfe – darauf muss man erst mal kommen. Das ist jetzt alles nicht übermäßig kompliziert, aber eine schöne Abwechslung. Vor allem aber weiß man, dass es zur Belohnung meist entscheidend weiter geht, sich neue Areale öffnen oder wichtige Gegenstände freigeschaltet werden.
… und groteske Gestalten
Action, Rätsel, Horror – das ist ja schon mal eine schöne Mischung. Das echte Highlight von Resident Evil aber sind die komplett grotesken Gestalten. Wie zum Beispiel die gut drei Meter große Lady Dimitrescu, ihre mordgeifernden Töchter, die sich in einen Schwarm Fliegen verwandeln können, das alte mysteriöse Hexenweiblein im Dorf, der krabbelnde Riesenembryo oder der übermäßig fette und ebenso geheimnisvolle Händler namens Duke.
Dazu kommen Gargoyles, monströse kriechende Embryos, Werwölfe, Vampire, Drachen und vieles vieles mehr. Da entfaltet sich ein derartiges Panoptikum der abgedrehten Schrecklichkeiten, dass es eine wahre Freude ist.
Blasser Held und Logikmängel
Da fällt es dann besonders auf, dass Held Ethan Winters erneut eine blasse Figur bleibt, dessen Schicksal einem wirklich komplett am Arsch vorbei geht. Statt Mitleid empfindet man da schon manchmal eher Schadenfreude – etwa, wenn Lady Dimitrescu ihm kurzerhand mal die Hand abhackt – die seltsamerweise nach einem Spritzer Heiltrank dann wieder nachwächst. Aber ok, mit Logik sollte man dem Game eh nicht kommen, da gibt es so einige fette Löcher.
Auch von der Story solltet ihr jetzt kein hochliterarisches, bis ins letzte Detail trickreich ausgefeiltes Wunderwerk erwarten. Dafür ist sie aber schön stimmig und gibt gegen Ende noch einmal so richtig Gas in Richtung Trash-County. Ich hatte jedenfalls meinen Spaß daran.
Fazit
Und – ist das jetzt alles überhaupt noch Resident Evil? Aber klar doch. Ich finde, dass es ein Best of der letzten 25 Jahre ist, mit Erkunden, Schleichen und gejagt werden, mit Horror und Schrecken nahe am Herzinfarkt, aber auch mit viel Action und Ballerei. Gleichzeitig fühlt sich Resi 8 aber auch erfrischend neu und anders an, vor allem auch, weil da viel mehr Abwechslung drin steckt als in seinen Vorgängern. Nur schade, dass es da keinen VR-Modus gibt wie in Resi 7 – das würde der Sache die Krone aufsetzen. Aber auch so ist Resident Evil Village ein gelungenes, trashiges und äußerst spaßiges Spektakel.
Game: Resident Evil: Village
Genre: Survival Horror
Release: 07.05.2021
Entwickler/Publisher: Capcom
USK: ab 18
Sprachausgabe/Texte: Deutsch / Deutsch
Webseite: https://www.residentevil.com/village/de/
Wertung: 9 von 10