The Sinking City

(Copyright: Frogwares)

Audio/Podcast zum Gamecheck:

 

„The Sinking City“ ist kein gewöhnliches Game. In den letzten fast 20 Jahren haben sich die Entwickler von Frogwares ja hauptsächlich mit Sherlock-Holmes-Detektivspielen einen Namen gemacht – acht Stück haben die Jungs aus Kiew da inzwischen produziert. Jetzt wagen sie sich auf neues Terrain und mischen ein Detektivspiel mit etwas Horror: Holmes meets Lovecraft also. Da Frogwares die offizielle Lovecraft-Lizenz fehlte, nennen sie das dann „inspiriert von Lovecraft“ – und das merkt man wortwörtlich an jeder Straßenecke. Dazu kommt noch etwas Open World und eine Portion Action. Aber läuft das kleine Studio damit nicht Gefahr, sich zu übernehmen?

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Die Story, Fremdenfeindlichkeit und Visionen

Die Story gibt sich so richtig schön lovecraftig. Charles Reed nämlich hat ein Problem: Er wird von heftigen Alpträumen geplagt: Ruinen im Wasser, ein schlafender Riese, überschwemmte Straßen und eine Stimme, die aus den Tiefen ruft. Hilfe – und eine Erklärung dafür – hofft er in der Stadt Oakmont zu finden. Ein gewisser Johannes van der Berg gab ihm den Tipp und lud ihn ein, denn das scheint es hier öfter zugeben.

Nun ist Oakmont – wie eingangs schon erwähnt – keine gewöhnliche Stadt. Das beginnt damit, dass sie von einer gewaltigen Flut heimgesucht wurde. Zudem wird sie von recht seltsamen Bewohnern bevölkert. Da gibt es zum Beispiel die Familie Throckmorton, die affenähnliche Gesichtszüge hat und zu einer der großen, wichtigen Familien in Oakmont gehört. Und dann sind da die Innsmouthler, Menschen mit Fischköpfen und einer teilweise schuppigen Haut.

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Die Flut, aber auch düstere Visionen trieben immer mehr Menschen – bzw. Gestalten –  von außerhalb in die Stadt. Nicht jeder begrüßt das, es gibt böses Blut. Eine Situation, die uns aktuell doch recht bekannt vorkommt. Diese Fremdenfeindlichkeit ist übrigens typisch Lovecraft – der zwar ein begnadeter Horror-Schriftsteller war, aber eben auch ein rassistischer, frauenfeindlicher Antisemit. Was sich eben immer auch in seinen Werken widerspiegelt. Überhaupt wimmelt es in diesem Game von Anspielungen und Verweisen auf Lovecraft’sche Romane. Die fischköpfigen Innsmouthler sind Protagonisten aus seinem Roman „The Shadow over Innsmouth“, auch zeigt die Story deutliche Anleihen aus „The Case of Charles Dexter Ward“ – zudem sind auch viele Straßen im Spiel nach Figuren und Romantiteln von Lovecraft benannt.

Aber zurück zur Story und den damit verbundenen Merkwürdigkeiten der Stadt Oakmont. Die Flut hat die Stadt nicht nur teilweise überschwemmt und zur Insel gemacht, Menschen verfallen auch dem Wahnsinn, benehmen sich höchst merkwürdig, beginnen, in fremden Sprachen zu sprechen und greifen andere an und töten sie sogar, ohne sich später daran zu erinnern. Und dann sind da noch die kleinen und großen Monster, die die Stadt unsicher machen.

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Schöne Detektivspiele

Eine Stadt, die langsam versinkt und dem Wahnsinn verfällt, innere Konflikte der einzelnen Bevölkerungsgruppen, ein Held mit Alpträumen dazu Monster – das ist die Ausgangslage und die vielversprechende Kulisse von „The Sinking City“.

Spielerisch gibt’s auf der einen Seite ein klassisches Detektivspiel, ähnlich den Sherlock-Holmes-Sachen von Frogwares. In den insgesamt sieben frei begehbaren Bezirken der Stadt warten immer neue Aufträge auf euch. Wie bei Holmes auch gilt es dann, erst einmal Fakten und Hinweise zu sammeln. Die haltet Ihr in den „Gedankenspielen“ fest – eine Art Ordner für Hinweise. Dort könnt Ihr sie miteinander kombinieren und so eure Schlussfolgerungen ziehen.

Habt Ihr alle Hinweise eingesammelt, kann Reed – dank einer mysteriösen Spezialfähigkeit – in die Vergangenheit schauen und das Geschehene vor seinen Augen abspielen. Sonderlich kompliziert ist das alles aber nicht, zudem kann man auch einfach so lange rumprobieren, bis alles zusammenpasst – Fehler werden nicht bestraft, Sackgassen gibt es keine. Spaß macht das aber trotzdem.

Spannend wird die Sache aber dadurch, dass wir uns am Ende eines Auftrages oft entscheiden müssen, was oft schwer fällt. Zum Beispiel: Liefern wir einen Mörder aus, obwohl er bei der Tat unzurechnungsfähig war – und schicken damit seine Familie in den Hungertod? Oder lügen wir und erzählen unserem Auftraggeber einfach, dass der Mörder bereits tot sei? Jede dieser Entscheidungen wirkt sich auf die spätere Story aus. Ein guter Grund, The Sinking City öfter durchzuspielen.

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Schwache Action

So weit, so Holmes. Dazu kommt hier aber noch eine gehörige Portion Action – nämlich immer dann, wenn Reed auf die Monster trifft. Dann zückt er seine Waffe – anfangs ist das nur seine Pistole, mit der Zeit aber erweitert sich sein Arsenal ganz ordentlich. Ähnlich Resident Evil ist Munition aber knapp, ja, sie ist in Oakmont inzwischen sogar das einzige Zahlungsmittel. Seltsam bzw. unlogisch ist es da aber, dass die Patronen dann überall in Schränken und Kisten herumliegen, wo ich sie unter den Augen der Bewohner einkassieren kann, ohne dass sich jemand beschwert. Geradezu ärgerlich ist es zudem, dass diese Fundorte wenig später erneut bestückt sind.  

Auch sind diese Action-Abschnitte ganz allgemein kein Ruhmesblatt. Das Zielen ist beschwerlich, die Steuerung ist hakelig, die Kamera nicht immer auf Höhe des Geschehens. Dank drei unterschiedlicher Schwierigkeitseinstellungen kommt man zwar trotzdem zum Ziel, so richtig Spaß macht das aber nicht. Mit Hilfe eines simplen Skilltrees können wir Reeds Kampffähigkeiten immerhin verbessern.

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Tauchen ist Horror – aber sonst eher schwach ausgebildet

Noch fürchterlicher aber sind die gelegentlichen Tauchgänge, wo ihr euch in Zeitlupe durch schlecht ausgeleuchtete Unterwasserszenarien bewegt und ständig von übermächtigen Gegner geplättet werdet. Das nervt nur.

Auch vom Horror solltet Ihr nicht zu viel erwarten. Die Monster sind kaum erschreckend, Jump Scares fehlen. Dafür stimmt aber die Atmo: Die Stadt ist düster und schmutzig, man meint fast, den flutbedingten Geruch von Verwesung in der Nase zu haben, Grau- und Brauntöne bestimmen das Bild, dazu dynamische Wetter- und Tag-Nacht-Wechsel – das ist beste Lovecraft-Tradition.

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Technik, die nicht begeistert

Mit einer etwas besseren Technik aber würde das noch viel besser rüberkommen. Und da gibt’s einige Probleme. Die Gebäude sehen innen alle gleich aus. Die Mimik der Personen ist starr, NPC springen wild durch die Gegend oder hängen in Wänden, die Animationen sind holprig, immer wieder gibt’s Ruckler und Glitches, die deutsche Sprachausgabe ist teilweise amateurhaft und bemüht. Das ist jetzt keine Vollkatastrophe, aber doch ein gutes Stück weg von gängigen Standards.

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Fazit

Die packende Story und Atmo sind durchaus gelungen, auch der Detektivteil gefällt. Andererseits merkt man deutlich, dass Action und Horror dann doch Neuland sind für die Entwickler – und dass die Mittel des Studios begrenzt sind, so dass auch die Technik nicht übermäßig begeistern kann. Lovecraft-Fans, Hobby-Detektive und alle, die bereit sind, über spielerische und technische Mängel hinweg zu sehen, kommen auf jeden Fall trotzdem voll ihre Kosten.

 

Game: The Sinking City

Genre: Action-Adventure

Release: 28.06.2019 (PC, PS4, Xbox One)

Entwickler/Publisher: Frogwares Studio / Bigben

USK: ab 16

Sprachausgabe/Texte: Deutsch/Deutsch 

Webseite: https://www.thesinkingcity.com/de


Wertung: 7 von 10

 

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