Das Japan-Rollenspiel „Bravely Default 2“ ist – nach „Bravely Default“ aus dem Jahr 2013 und „Bravely Second: End Layer“ – beide für den 3DS erschienen – nicht wie angedeutet der zweite, sondern bereits der dritte Teil der JRPG-Reihe von Square Enix. Eine Erklärung für diese etwas wirre Bezifferung mag sein, dass sich Bravely Second inhaltlich an Bravely Default anschloss, also eine Geschichte bildete, während Bravely Default 2 eine eigenständige Story besitzt. Eine andere Erklärung wäre, dass die ersten beiden Teile für den 3DS, der neue Teil aber für die Nintendo Switch entwickelt wurden. Oder die Entwickler können einfach nicht bis drei zählen. Was auch immer. Aber: Sind alle guten Dinge jetzt drei? Und wie macht sich das Game auf der Switch?
Audio/Podcast zum Gamecheck:
Wo bin ich. Und wenn ja, wie viele?
„Wo bin ich“? – fragt sich der junge Matrose Seth, als er nach einem Schiffbruch an einem Strand erwacht. Übrigens ein Satz, den man von ihm noch öfter hören wird. Ja, der gute Seth scheint nicht der Hellste zu sein. Aber gut, er hat auch einiges mitgemacht. Erst der plötzliche Sturm auf See, dann tauchen zwei Gestalten auf und reden auf ihn ein und erzählen irgendwas von einer Christel. Christel von der Post? Christel Meth? Nein, es geht anscheinend um einen magischen Kristall, der den beiden den Weg zu Seth gezeigt hat. Die beiden – das sind Prinzessin Gloria und ihr Begleiter, der alte Ritter Sir Sloan. Gefühlt 100 Zwischenfragen später („Du bist eine Prinzessin?“, „Du bist ein Ritter?“, „Wo bin ich“? „Wer redet da?“, „Was ist passiert?“) hat Seth dann endlich begriffen, worum es in groben Zügen geht – und wo er gelandet ist.
Die magische Christel
Nämlich im Königreich Halcyconia. Dort hat auch Prinzessin Gloria von Musa Zuflucht gesucht, nachdem ihr Königreich zerstört worden war. Wo man schon Pläne mit ihr hat und ihr geeignete Heiratskandidaten vorstellen möchte. So eine Prinzessin ganz alleine – das geht ja gar nicht. Spätestens seit dem Dauerentführungsopfer vom Dienst, Prinzessin Peach, wissen wir ja, was mit alleinstehenden adligen Damen in Videospielen passiert. Aber ihre Royal Highness hat andere Pläne. Und lehnt dankend ab, da sie zuvor noch eine heilige Pflicht, eine „Sacred Duty“ zu erfüllen habe. Sie will nämlich erst noch den größten Schatz ihres vergangenen Königreiches, die vier Kristalle aufspüren. Womit wir beim JRPG-Bullshit-Bingo gleich mal ein Feld ankreuzen dürfen: Magische Kristalle. (An der Stelle bitte ein dämonisches Echo denken).
Die Story: Not soooo bad. Nur ein bisschen.
Das macht sie aber nicht aus einer prinzessinnenhaften Vorliebe für Edelsteine (so von wegen Diamonds are the girls best friends), nein, viel mehr droht von den Kristallen eine Gefahr: In den falschen Händen könnten sie Königreiche vernichten und den Weltuntergang heraufbeschwören. (Nochmal Bingo). Und weil das für eine Prinzessin alleine dann doch ein Paar echt große Schuhe sind, schließen sich drei weitere Mitstreiter an: Neben unserem Matrosen „Where am I“-Seth sind auch der Wandergelehrte Elvis – nicht verwandt oder verschwägert mit dem gleichnamigen King – und dessen Leibwächterin Adele mit dabei, um die restlichen drei Kristalle zu finden und die Welt zu retten.
Wobei man aber fairerweise sagen muss, dass die anfangs noch recht überraschungsarme Klischeestory später einiges an kleinen Überraschungen bereit hält und sich doch ein bisschen vielfältig ausbreitet als anfangs befürchtet – und auch in gekonnten Rückblenden anschaulich erzählt wird. Trotzdem aber bleibt die oft stereotype Geschichte letztendlich recht eindimensional.
Let’s get ready to rumble
Auch spielerisch gibt es ein paar Neuigkeiten. So gehören die Zufallskämpfe der Vorgängerversionen der Vergangenheit an, jetzt könnt ihr die vor den Städten umherziehenden Gegner und Monster gezielt angreifen.
Das „Brave“-Feature ist in den rundenbasierten Kämpfen geblieben. Wie gehabt könnt ihr euch vorab Punkte für besonders ausgefallene Attacken leihen, müsst dafür aber dann eine entsprechende Anzahl von Runden aussetzen, um neue Punkte zu sammeln. Heißt: Hat euer Plan keinen Erfolg, seht ihr alt aus. Oder tot. Dadurch kommt eine ordentliche Portion Extra-Taktik und Risiko ins Spiel. Weitere Abwechslung kommt in die Kämpfe, weil jeder der vier Helden zwei Jobs ausüben kann, also eine Haupt- und eine Nebenklasse mit den damit verbundenen Fertigkeiten, Zaubersprüchen und Boni hat, die er je nach Gegner wechseln darf. Je länger das Game dauert, desto mehr Klassen werden freigeschaltet. Das hilft ungemein, lahmes Einerlei zu vermeiden.
Gute Typen und Stereotypen
Während die Heldentruppe durchaus differenziert und sympathisch rüberkommt und man sich dort viel Mühe gegeben hat, dem Quartett eine Persönlichkeit zu geben, bleibt es bei den Bösewichtern fast immer bei platten Abziehbildern, deren Beweggründe nicht weiter erwähnt werden. Die sind halt so.
Technik: Da geht noch was
Optisch hat sich nicht so viel getan wie erhofft. Ja, die Figuren sind jetzt mit all ihren bunten Kostümen deutlich detaillierter und auch die handgemalten Bilder sehen wirklich schön aus, aber trotzdem kann Bravely Default 2 seine 3DS-Vergangenheit nicht verleugnen. Das Charakterdesign ist – trotz aller Details – noch immer minimalistisch, die Animationen wirken hölzern. Dafür wurde jetzt ein Großteil der zahlreichen Dialoge auf Englisch oder Japanisch vertont und mit deutschen Texten untertitelt, auch der neue Soundtrack gefällt mir gut, unterstreicht er doch die jeweilige Atmo, ohne sich zu sehr aufzudrängen.
Fazit
Bravely Default 2 ist ein grundsolides JRPG, dass das Erfolgsrezept der beiden Vorgänger hier und da noch etwas verfeinert hat und vor allem (und immer noch) durch sein abwechslungsreiches Kampfsystem gefällt. Trotzdem hätte ich mir doch etwas mehr Mut zu neuen Ideen gewünscht – und etwas weniger Leerlauf, weniger Missionen von der Stange und dazu noch eine fesselndere Story. Wer kein Problem damit hat, dass das Game inzwischen schon etwas angestaubt wirkt und wer nicht mehr erwartet als eine spielerische Fortsetzung der Vorgänger, der wird hier auf jeden Fall seinen Spaß haben.
Game: Bravely Default 2
Genre: JRPG
Release: 16.02.2021
Entwickler/Publisher: Square Enix
USK: ab 12
Sprachausgabe/Texte: Englisch, Japanisch/Deutsch
Webseite: https://www.nintendo.de/Spiele/Nintendo-Switch/BRAVELY-DEFAULT-II-1698006.html
Wertung: 7 von 10