Halo Infinite (Kampagne)

(Copyright: 343 Industries)

2012 erschien mit Halo 4 das erste Halo unter der Regie von 343 Industries, das auch gleichzeitig der Auftakt der Reclaimer Trilogie war. Was damit begann, dass der Master Chief angeblich tot sei. War er natürlich nicht, sondern konnte da auf Blutsväter-Planeten Requiem kräftig aufräumen. Nach einigen größeren und kleinen Halo Zwischenspielchen wie Spartan Assault, Master Chief Collection und Spartan Strike folgte dann 2015 Halo 5: Guardians, Teil 2 der Reclaimer Trilogie, wo der Master Chief anfangs wieder einmal verschollen ist. Der Chief spielt in dieser Folge nur die zweite Geige, Star des Games sind erstmals die Teams – das Team Blau des Chiefs und das Osiris Team mit Spartan James Locke, die auf zwei unterschiedlichen Planeten unterwegs sind – was für viel Abwechslung sorgte. Die Jahre gingen ins Land, es erschien zwischenzeitlich noch Halo Wars 2, und jetzt, rund sechs Jahre nach Halo 5 endlich nach vielen Verschiebungen doch noch Halo 6, das aber gar nicht Halo 6 heißt, sondern Halo Infinite. Ein würdiger Abschluss der Trilogie oder ein mauer Abgesang?

Audio/Podcast zum Gamecheck:

Darum geht es in der Kampagne

Halo Infinites Kampagne (und darum geht es in diesem Review) spielt rund 18 Monate nach den Ereignissen von Halo 5 Guardians. Hauptfigur ist der Master Chief, der nach seinem missglückten Kampf gegen den Spartan-Killer Escharum vom Piloten Echo 216 im All treibend aufgesammelt und wieder aufgepäppelt wird. Der war also wieder mal verschollen. Aber statt nun – nach 18 Monaten im All – zu sagen „Mann, jetzt müsste ich aber mal ganz dringend pinkeln“ oder wenigstens „Jetzt erst mal ein Bier und dann meine Freundin anrufen“ heißt es beim Chief gleich wieder „back to business“.

Während sein Retter jetzt endlich nach getaner Mission nach Hause will zu Frau und Kind, weil es für ihn nichts mehr zu tun gibt, muss unser Master Chief natürlich wieder mal die Welt retten. Und das, ohne vorher noch 148 Mails zu checken. Dieses Mal sind es aber nicht die Allianz oder die Prometheaner, die Ärger machen, sondern die Verbannten und ihr Anführer Atriox. Wobei ich anfangs tatsächlich immer „die Verwandten“ verstanden habe. Diese Verwandten … ehm, Verbannten haben die Menschheit schon lange bekämpft, bis die Sache dann auf dem Ring Zeta Halo zum Finale kommt.

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Halo? Hallo? Und wer ist „Die Waffe?“

Neu-Einsteiger im Halo-Universum stehen da meist voll auf dem Schlauch. Viel erklärt wird nicht, das meiste vorausgesetzt. Wer sind diese Blutsväter, wo kommen die Verbannten her und wer sind die überhaupt? Und von welcher Flut ist da die Rede? Nach dem seltsamen Finale in Halo 5 und dem eigentlich unerklärlichen Sinneswandel von Cortana von gut zu böse waren viele Fragen offen geblieben. Und wer nicht mal diese offenen Fragen mitbekommen hatte, wird der Story nur selten folgen können. Das alles wird nur schlecht bis gar nicht erklärt. Und wenn, dann versteckt in Audiologs, über die man eher zufällig stolpert oder auch nicht. So bleibt es für Halo-Neulinge dann auch unverständlich, als ein Cortana-Ersatz auftaucht.

Und selbst Cortana 2 alias „Die Waffe“ ist neugierig, was da eigentlich gelaufen ist. Aber die Antwort bleibt nebulös. Die neue Cortana entwickelt sich dann auch nicht nur schnell zum ständig quasselnden und kommentierenden Sidekick, sondern hilft auch mit nützlichen Tipps, falls man mal feststeckt und macht vor allem den Master Chief mit ihren Spezialfähigkeiten auch stärker und besser. Weshalb die beiden dann als Team kurzerhand (wieder mal) zum Retter der Menschheit auserkoren werden. Eine Nummer kleiner ging wohl nicht.

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Die halboffene Spielewelt

So, jetzt aber genug Story gespoilert. Schauen wir uns mal das Spielerische an, denn auch dort gibt es eine große Neuerung: Eine offene Spielewelt. Oder – ziemlich große Hub-Areale, um genauer zu sein. Die jedenfalls betretet ihr, wenn ihr das erste Mal an die Oberfläche des Planeten gelangt – und von da an habt ihr eine Menge bei Halo bis dato eher nicht gekannter Freiheiten. Die Reihenfolge der Nebenmissionen bleibt euch überlassen, und es herrscht zudem natürlich auch Reisefreiheit auf Zeta Halo. Ihr könnt im besten Ubisoft-Far Cry – Style auch Vorposten erobern und von den Feinden befreien. Zur Belohnung gibt es dann Waffen, Fahrzeuge oder Truppen, die euch helfen. Derart gestärkt, könnt ihr euch dann einen der großen Außenposten vornehmen, die wesentlich besser bewacht und verteidigt werden, und an deren Ende dann meist auch ein größerer Zwischengegner wartet. Dort findet ihr dann hin und wieder kleine Gimmicks aka Spartan-Verbesserungskerne, die eure Ausrüstung weiter hochleveln.

Neben den Posten gehören auch die Verbannten-Festungen, Propaganda-Türme, hochrangige Gegner und gefangene UNSC-Trupps zu euren Zielen. Hatten wir schon Ubisoft in dem Zusammenhang erwähnt? Ja? Na gut. Ok. Also: Dafür wiederum erhaltet ihr Tapferkeitspunkte, für die dann noch mächtigere Fahrzeuge wie der der Scorpion-Panzer frei geschaltet werden.

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Waffen, Ballern & die Gegner

Genau, richtig, die Waffen. Dabei sind wieder viele alte Bekannte, aber auch ein paar neue Knarren, wie der Mangler der Verbannten oder Bolzen-Skewer. Wie immer kann der Master Chief nur zwei davon gleichzeitig mitnehmen, und da die Munition (trotz der neuen Nachfüllstationen) schnell am Ende ist, werdet ihr oft die Waffen wechseln – es liegen ja genug rum. Das Trefferfeedback stimmt dabei, egal, ob ihr die Gegner mit einer Plasmapistole, mit einer Granate oder einem explosiven Fass aus dem Weg räumt. Was jetzt auch nicht übermäßig kompliziert ist. Ballern, in Deckung gehen, wieder rauskommen und ballern. Meist ist es die Masse, die gefährlich ist – oder eine fehlende Deckungsmöglichkeit. Erst in höheren Schwierigkeitsgraden drehen die dann KI-technisch etwas auf.

Lediglich die Zwischen- und Endgegner sind da etwas nerviger. Schon deshalb, weil man oftmals mit ihnen in einem Raum eingeschlossen wird und erstmal ihre Schwachstelle ausloten muss. Meist reicht es aber auch hier, ständig in Bewegung zu bleiben und mit allem draufzuhalten, was man hat.

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Der Haken mit dem Haken

Und dann ist da ja noch der neue Greifhaken. Also – neu bei Halo meine ich. Damit kann sich der Chief nicht nur über Abgründe schwingen oder nach oben ziehen, sondern im Kampf auch blitzschnell die Distanz zum Gegner überwinden, oder Fässer oder Waffen angeln. Das verleiht der ohnehin schon fluffigen Action noch mal eine Special-Portion an Flow.

Der Haken am Haken: Der ist so gut, dass ich die anderen vier Gadgets – verbessertes Schild, Ortungssensor für getarnte Feinde, temporärer Schutzwall und Schubdüsen für Ausweichmanöver – kaum einsetzen will. Auch deshalb, weil die – zumindest auf der Xbox Series – nur über umständliche Steuerkreuzspielereien zu erreichen sind. Dafür hat dann die Taschenlampe – die ich nicht ein einziges Mal gebraucht habe – eine Direktwahlmöglichkeit. Was für ein Blödsinn. Das nächste Mal bitte besser machen.

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Noch mehr Haken

Womit ich dann auch bei den Sachen bin, die nicht ganz so gelungen sind. Die Nebenmissionen sind doch arg generisch und von der Stange, die reizen eher weniger. Auch sind die Belohnungen da nicht so übermäßig reizvoll, den meisten Krempel findet man auch so irgendwann – oder braucht ihn erst gar nicht.

Die halboffene Spielewelt aka Hubwelt ist recht leblos; keine Tiere, keine NPCs mit Sidequests und eigenen Geschichten, da ist Halo Lichtjahre entfernt von Spielen wie Far Cry oder Elder Scrolls. Und dass die Story alles andere als einsteigerfreundlich ist, hatte ich ja schon eingangs erwähnt.

(Copyright: 343 Industries)

Fazit

Halo Infinite macht das, was Halo immer schon am besten konnte: Es liefert blitzsaubere Action und eine fantastische Spielbarkeit ab, ohne jetzt mit großen Überraschungen zu kommen. Ist man da einmal im Flow, will man gar nicht mehr aufhören – und das liegt nicht an der Story oder an tiefgründigen Figuren. Der Spaßfaktor ist immens, der Tiefgang dagegen eher überschaubar. Macht aber nix, erwartet ja auch niemand ernsthaft von Halo. Von allen bisher erschienen Halos ist Halo Infinite das Haloeste.

Game: Halo Infinite
Genre: Shooter
Plattform: Xbox One, Xbox Series, PC
Release: 08.12.2021 
Entwickler/Publisher: 343 Industries / Microsoft
USK: ab 16
Sprachausgabe/Texte: Deutsch / Deutsch
Webseite: https://www.halowaypoint.com/de-DE
Wertung: 9 von 10