Those who Remain

(Copyright: Camel 101)

Horrorspiele haben in den letzten Jahren Hochkonjunktur – vor allem auch in der Indieszene. Vielleicht liegt es daran, dass diese Art von Games auch schon mit vergleichsweise kleinen technischen Mitteln funktionieren kann: Weitsicht oder viele Farben sind im düsteren Horror ja zum Beispiel eher weniger gefragt. Jetzt ist mit „Those who remain“ – zu Deutsch etwa „Diejenigen, die bleiben“ – des kleinen Studios Camel 101 ein weiterer Indie-Horrortitel hinzugekommen. Ist das jetzt intelligenter Grusel mit einer einfallsreichen Geschichte? Oder einfach nur eins von vielen, das wir morgen schon wieder vergessen haben? Das schauen wir uns mal an.  

Audio/Podcast zum Gamecheck:

Die Story und der Waschlappen

„Alles scheint selbstverständlich“ – mit diesen Worten beginnt das Spiel. Hauptakteur Edward wird vom schlechten Gewissen und von Depressionen geplagt. Er hat den Bezug, den Faden und vielleicht auch den Sinn hinter all dem verloren. Seine späte Erkenntnis: „Du bist zu jemandem geworden, den du selbst nicht mehr erkennst!“ Da heißt es, Nägel mit Köpfen machen. Er beschließt, sein heimliches Verhältnis zu seiner Geliebten zu den Akten zu legen. Wobei er da doch ein ziemliches Drama macht und verdammt viel Selbstmitleid und Pathos in seiner Stimme mitschwingt. Da passt es ihm ja gut in den Kram, dass ihn seine Geliebte Diane diesen Abend in ein Motel zu einem lauschigen Schäferstündchen eingeladen hat. Die Gelegenheit will er nutzen, um ihr das Ende ihrer außerehelichen Beziehung zu verkünden.

Dort angekommen aber beginnt es schräg und verworren zu werden. Das Motel ist verlassen, keine Spur von Diane. Das Zimmer ist leer, seltsamerweise läuft das Wasser. Und auch sonst ist niemand zu sehen. Dann wird auch noch sein Auto geklaut, dem er einfach mal so durch die Dunkelheit hinterher rennt. Super Plan. Tatsächlich findet er seinen Wagen auch wieder, doch hat der einen Totalschaden und der Fahrer ist wohl geflüchtet. Tja, und da steht der gute Eddie nun mitten in der Walachei. Es regnet und gewittert, es ist finstere Nacht, alles scheint verlassen und er hat absolut keine Idee, wo er da gelandet ist. Das klassische Horrorsetting eben. Irgendwo am Horizont sieht er Licht.

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Schau mir in die glühenden Augen, Kleiner

Dann tauchen auch noch seltsame Wesen mit glühenden Augen auf, die ihn beobachten. Das ist nicht gut, weiß Eddie. Und fragt sich (wie wir auch): Was zum Teufel ist hier los? Durch etwas Rumsuchen und Lesen von herumliegenden Zeitungsausschnitten bekommt er heraus, dass es in Dormont in letzter Zeit einige Personen unter mysteriösen Umständen verschwunden sind. So auch ein 13jähriges Mädchen. Die plötzlich als Geist vor ihm steht.

Und wir stellen fest: Die Entwickler lassen wirklich kein Horror-Story-Klischee aus. Da darf dann natürlich auch die eigene geheimnisvolle Vergangenheit unseres Protagonisten nicht fehlen, der da anscheinend noch so einiges aufzuarbeiten hat. Anscheinend hat es da mal einen Unfall gegeben.

Fehlt was? Klar, die düstere Parallelwelt, in die unser Held ab und zu hinübergleitet und in der Gravitation anscheinend keine große Rolle spielt. Wann es aber dann mal dorthin hinübergeht, können wir nicht beeinflussen.

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Immer schön im Licht bleiben

Spielerisch geht’s vor allem darum, immer schön im Licht zu bleiben. Und weil das eben nicht immer überall ist, müssen wir dafür sorgen, uns beleuchtete Wege zu schaffen. Dazu müssen – meist recht simple – Rätsel gelöst werden. Hier einen Stecker einstöpseln, um eine Lichterkette zum Leuchten zu bringen, dort ein Auto knacken, um dessen Scheinwerfer zu nutzen. Wobei wir in der Parallelwelt dann eben noch die merkwürdigen Ranken entfernen müssen.

Ab und zu ist uns der Weg dann versperrt. Entweder, weil eine Tür nicht aufgeht, oder weil der Fußboden unter Strom steht. Wie wir schmerzhaft feststellen. Die Klassiker also. Allerdings ist der Schwierigkeitsgrad nicht immer einfach. Ab und zu springt der nämlich auch gern mal steil nach oben, auch gibt’s hin und wieder auch ziemlich unlogische Puzzle, die nur mit herumprobieren zu lösen sind und Perspektivspielereien, die viel Geduld erfordern.

(Copyright: Camel 101)

Logik ist nicht so die Sache der Entwickler

Und auch sonst ist Logik nicht so das der Ding der Entwickler gewesen. Eben war Licht noch unsere Rettung, und plötzlich müssen wir vor einer Art nackten Monster flüchten, das einen fetten Scheinwerfer im Gesicht hat und unvermittelt ohne Warnung immer wieder mal auftaucht. Eben gab es noch Lichtschalter, plötzlich sind die weg. Und wir wieder mal tot. Eben hatten wir noch ein Feuerzeug, plötzlich haben wir es angeblich verloren. So was nervt.

Und dann schmeißen die Entwickler immer neue Ideen ohne große Vorbereitung ins Spiel, das dadurch immer aufgeblähter erscheint. Wahrscheinlich war das so, dass morgens einer der Jungs ins Entwicklerstudio kam und sagte „Ich hatte gerade auf dem Weg hierher noch eine lustige Idee, lasst uns das doch auch mal einbauen“. Da ist zum Beispiel ein merkwürdiger Maskenmann in einem Schaukelstuhl, der uns immer wieder gerne mal vollquatscht und uns zu Entscheidungen über Leben und Tod zwingt.

(Copyright: Camel 101)

Horror im Schongang

Für einen Horrortitel halten sich die Gefahrensituationen in engen Grenzen. Gut, ab und zu erscheint plötzlich dieses FKK-Monster und wir müssen machen, dass wir wegkommen. Das bewegt sich aber so dermaßen komisch und sieht auch eher lustig denn erschreckend aus, dass unsere Angst darüber dann doch überschaubar bleibt. Und auch die Gestalten mit den leuchtenden Augen sind keine Bedrohung – es sei denn, wir stellen uns komplett dämlich an und kommen ihnen zu nah. Und die ominöse „Mutter“ bleibt auch eher eine Randerscheinung.

(Copyright: Camel 101)

Alles überschaubar

So beschränkt sich das Spiel dann auf die Licht/Schatten-Rätsel, seltene Entscheidungen, die getroffen werden müssen, Flashbacks und Parallelweltausflüge, mysteriösen Begegnungen mit Toten und dem Sammeln von Informationen, was hier passiert ist. Letzteres ist zwar durchaus spannend, leidet aber unter den holprigen deutschen Übersetzungen der Texte. Schon klar, dass ein kleines Studio sparen muss, aber zu etwas mehr als zu Google Translate hätte es doch sicher noch gereicht.

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Technik, die eher selten begeistert

Womit ich dann auch bei der Technik wäre: Grafisch ist das Game eher „geht so“. Die Lichteffekte sind erwartungsgemäß ok, dafür ist es generell oft einfach zu dunkel. Außerdem ruckelt es selbst auf der PS4 Pro gerne mal, dazu kommen schwache Animationen, die schwer am Schrecken nagen (wer hat schon Angst vor einem Gegner, der rumeiert wie ein Pfannkuchen), und viele Details wirken eher wie von Kinderhand gemalt. Immerhin können der gut gemachte Horror-Soundtrack, das feine Sounddesign  und Edwards deutsche Stimme überzeugen. Bei den restlichen Figuren sind da allerdings zum Teil doch recht deutliche Qualitätsunterschiede zu hören.

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Fazit

Those who Remain startet vielversprechend, verliert sich dann aber in Klischees, Monotonie und zu vielen Ideen, die oft schwach umgesetzt sind. Dazu kommt die doch sehr … nun ja … durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Technik, ein sich sprunghaft ändernder Schwierigkeitsgrad, fehlender Horror und eine Story, die nach gutem Einstieg in ziemlicher Belanglosigkeit verendet. Gute Ansätze sind da. Aber das reicht hier leider nicht. 

Game: Those Who Remain
Genre: Walking-Simulator / Horror / Adventure
Release: 28.5.20 (PC, PS4, Xbox One)
Entwickler/Publisher: Camel 101
USK: ab 16
Sprachausgabe/Texte: Deutsch /Deutsch
Webseite: https://www.thosewhoremain.com/
Wertung: 4 von 10